Mittwoch, 10. Oktober 2007
Wer, wie was?
Auf dem Heimflug, den wir in Uniform zwischen den Passagieren sitzend antreten, neben mir ein achtjähriger Junge auf dem Weg von einem Elternteil zum anderen. Normalerweise stelle ich mich 'tot', um Gesprächen mit Umsitzenden zu entgehen und auch das Kindchenschema animiert nicht zwingend mein Fürsorgegen. Ganz entgegen meiner Gewohnheiten bekämpfe ich die bleierne Müdigkeit und lasse mich auf eine Unterhaltung ein. Das Handy müsse er jetzt ausschalten, meint der Kleine pflichtbewußt. Auf meine Frage, ob denn seine Klassenkameraden auch so ein Ding besitzen, nickt er kurz. Die hätten sogar welche mit Kamera und so Schnickschnack aber die Nummern, die wisse er nicht und deswegen könne er auch nicht mit ihnen telefonieren. Selbst seine eigene Nummer kenne er nicht, denn er soll damit ja nur zu Hause anrufen und sagen, dass er jetzt angekommen sei. So etwas habe ich mir bereits gedacht. Gleichzeitig fühle ich mich sehr alt, so alt, wie man sich bei dem 'zu meiner Zeit' Gedanken eben fühlt.

Als wir starten, sage ich, das sei mein liebster Moment beim Fliegen. Die Geschwindigkeit drückt den Körper noch ein wenig tiefer in die Sitze, fast wie beim Achterbahn fahren. Er sagt, das wäre ganz anders, weil eine Achterbahn erst ganz langsam anfahre und danach erst die Geschwindigkeit komme. Ich entschuldige mich für den schlechten Vergleich, doch er nickt wissend. Wenn man oben sei, so der Kleine, dann spüre man beim Fliegen ja überhaupt nichts mehr, das sei als ob man stehe. Nur die Kurven, die würde man manchmal ein wenig spüren.

Dann sieht er mir direkt in die Augen. Er hätte da mal eine Frage: wenn man so eine Kurve fliege, das wäre ja seltsam, dass da trotzdem alles gerade bleibe. Er hätte einmal seine Jacke aufgehängt und die hinge in einer Kurve völlig gerade zum Flugzeugboden. Dabei müsse die ja eigentlich schräg hängen. Plötzlich lauschen Umsitzende auffällig unauffällig unserem Gespräch. Alle warten auf die logische Erklärung einer Fachkraft. Mir wird ein wenig mulmig, weil mir keine intelligente Antwort einfallen will. Erst rede ich ein wenig herum, stammle etwas von Geschwindigkeit und dass beim Start ja alles schräg hängt. Schließlich gebe ich zu, es nicht wirklich zu wissen. Die Umsitzenden wenden sich wieder ihren Gesprächen oder der Zeitungslektüre zu. Der Junge zuckt kurz mit den Schultern: "Naja, dann frage ich eben meinen Papa, der ist auch Flugbegleiter." Hoffentlich hat der Papa die richtige Antwort parat. Und zu meiner Ehrenrettung bei nächster Gelegenheit warte ich mal auf eine physikalische Erklärung von Herrn NFF, denn der muss es ja wissen.


Wissenswertes vom Fachmann:
Warum sie oben bleiben

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Sonntag, 30. September 2007
Coffee and tea and sympathy
»Was würden Sie davon halten, wenn ich in Ihr Büro komme und sage, dass das alles Quatsch ist, was Sie machen?«

Eine Kollegin plaudert im SZ Magazin aus dem Nähkästchen.
Und den Spruch muss ich mir unbedingt merken.

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Donnerstag, 27. September 2007
Get the joke
Können Nichtflieger über Fliegerwitze lachen?
Probieren wir's mal:

Frage: Was ist die erste Maßnahme, nachdem der PII die Treppe heruntergefallen ist?
Antwort: Man nimmt ihm die Hände aus den Taschen, damit es wie ein Arbeitsunfall aussieht.


Jeder Witz stirbt an langwierigen Erklärungen. Es gibt unzählige Witze aus jeder Branche, dessen Pointe dem Außenstehenden verborgen bleibt, weil er die Hintergründe nicht kennt. Auch obiger Fall bedarf einer Erläuterung.

PII ist die interne Bezeichnung des Langstreckenpursers. Dass er nicht aktiv in den Serviceablauf eingebunden ist, erweckt bei den restlichen Besatzungsmitgliedern oft Neid, was schließlich in der Unterstellung mündet, der Kollege sei schlichtweg faul.

Ein Langstreckenpurser ist aber keineswegs faul, sein Aufgabengebiet ist nur ein anderes. Ähnlich einem 'Chef de Cuisine' koordiniert er sein Team, ist für Passagierbelange und darüber hinaus für technische Belange zuständig. Manche Purserkollegen helfen - soweit möglich - auch im Service. Dies geschieht jedoch immer auf freiwilliger Basis. Der gemeine Flugbegleiter beurteilt einen Purser schnell aufgrund seiner Bereitschaft mitzuarbeiten, obwohl dieses Kriterium eher belanglos ist.

Und die Treppe? Ach ja, die führt im Jumbo (Boeing 747) vom Haupt- zum Oberdeck, wo sich u.a. auch das Cockpit befindet. Soviel zur Erklärung.

Eine Flugbegleiterin stürmt aufgeregt ins Cockpit: "Captain, ich bin vergewaltigt worden!" Der Kapitän fragt nach dem genauen Tathergang. "Ja, im Crewrest war das und vermutlich war es der PII." Das lässt den Kapitän aufhorchen. "Was macht sie da so sicher?" hakt er nach. Darauf die Flugbegleiterin: "Na ich musste alles alleine machen."

Na also, geht doch.

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Dienstag, 18. September 2007
Keep on smiling
Flüge Richtung Indien zählen unter Personal nicht unbedingt zu den beliebtesten. Das liegt vorwiegend an den Landesbewohnern, die als Passagiere ziemlich anstrengend sein können. Um so einen Flug gutgelaunt zu überstehen, muss man einiges über die Kultur des Landes wissen. Der Inder an sich ist, obwohl im Zeitalter der Technologie angelangt, immer noch stark in seiner Tradition verwurzelt. Im Vergleich zu den Kasten sind unsere westlichen Schubladen der reinste Kindergeburtstag. In der Wiedergeburtslehre ist man nämlich selbst verantwortlich für sein Schicksal. Da hilft kein Jammern auf hohem Niveau, Saftschubse ist Saftschubse. Sie wird nichts besseres verdient haben und vom Inder, der es zu ein klein wenig Wohlstand gebracht hat, auch entsprechend behandelt. Ein indischer Passagier sagte einst zur Kollegin (mit indischem Akzent zu lesen)"You know, in my country you are a servant", worauf sie geistesgegenwärtig erwiderte "You know, in my country you are a taxi driver."

Die indische(n) Sprache(n) kennt kein Bitte und Danke, was mir im Grunde herzlich egal sein könnte, denn ich spreche nicht indisch, sondern englisch mit meinen Gästen. Das dahinterstehende Prinzip ist vielen Indern genausowenig geläufig, wie die englische Übersetzung der beiden Worte. Kann man jetzt drüber hinwegsehen, ist allerdings schwer, wenn in Kombination mit Satzbau und Sprachmelodie aus jeder Bitte eine Forderung wird. Beliebtester Satz während des Einsteigevorganges: "Give me water!" Sollte man sich jetzt zur Frage "what's the magic word?" hinreißen lassen, darf man als Antwort nicht viel mehr als ein "move!" erwarten. So beginnt man wohl oder übel den Hindernislauf, springt über Koffer und Plastiktüten, die die Gänge verstopfen und quetscht sich an unförmigen Menschen vorbei zur nächstgelegenen Wasserstelle. Dort füllt man einen Becher, bemüht sich, auf dem Weg nichts von dem kostbaren Naß zu verschütten, verteidigt es gegen neidvolle Blicke anderer Passagiere und präsentiert ihn stolz dem Auftraggeber. Nach drei Schlücken streckt der ihn mit angewidertem Blick von sich und dem nächsten Kollegen entgegen, als würde es sich um Gift handeln.

In Indien ist es üblich, einem Gast bei dessen Ankunft Wasser zu reichen. Im Grunde eine nette Geste, nur nicht ganz so auf das heutige Transportwesen übertragbar. Auch Gastgeschenke sind sehr beliebt unter den Indern. Ein Gast, der einst lautstark "Give me compliments!" forderte, war nicht mit freundlichen Bemerkungen über seine Person zufriedenzustellen, sondern nur durch eine kleine Pralinenschachtel mit dem Aufdruch "with compliments". Manches Handgepäcksstück ist nach dem Flug schwerer als vorher, denn es gibt viele Kleinigkeiten, die man umsonst bekommt und die man - wer weiß - sicher irgendwann dringend benötigt.

"I want a whiskey"
"Sure Sir, on the rocks or with soda?"
"Pure."


Wir befinden uns in der Zeit zwischen dem 1. und 2.Service, auch 'Wache' genannt. Während die meisten Passagiere schlafen, den Film verfolgen oder sich anderweitig beschäftigen, beschäftigen sich indische Passagiere gerne mit dem Getränkesortiment. Ich laufe durch die gesamte Kabine, memoriere drei weitere Getränkewünsche auf meinem Weg nach hinten und bringe alles auf einem Tablett nach vorne, die nächsten drei Bestellungen annehmend.

"What is that?"
"That is your whiskey, Sir."
"I wanted it with Soda."


Von den letzten drei Auftraggebern haben sich zwei ebenfalls umentschieden. Alles retour, stets offen für neue Wünsche. So geht das in einem fort. Indienflüge sind der reinste Marathonlauf. Das kleine Licht der Passagierrufe erlischt niemals. Aufenthalte in den Bordküchen transformieren zu Boxenstopps, rechts rein, tanken, links raus. Und wenn endlich alle Sonderwünsche erfüllt sind, ist der Flug auch schon vorbei.

Dass sich Smitty, die indische Kollegin mit dem stummen 'r' und ohne 'y', gelegentlich ebenfalls über ihre Landsleute beklagt, wirkt in diesem Zusammenhang beruhigend. Und alle Inder sind ja auch nicht so. Im Gegenteil, auf dem vergangenen Flug hörte ich erstaunlich oft Bitte und Danke, sammelte viele leere Becher ein und hatte keine unzufriedenen Gästen zu beschwichtigen. Das mag an meinem exzessiven Lächeln gelegen haben. Eine etwa grenzwertige Aussage in Kombination mit stetigem Lächeln, lässt den Inder glauben, es handele sich um eine besonders trockene Form britischen Humors. Man kann ihm vieles vorwerfen, dem Inder an sich, aber zimperlich ist er nicht.

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Freitag, 14. September 2007
The beautiful people
Gelegentlich - so einmal im Jahr - stellen Leser dieses Blogs Fragen rund ums Fliegen, die ich dann zu beantworten versuche.

Monika fragt beispielsweise:
... da kam bei mir stets die Frage auf, wie das Flugpersonal es schafft, nach 12 Stunden oder mehr immer so auszusehen, als ob es gerade frisch geduscht und gekleidet aus dem Bad kommt.

Tja Monika, das ist eine gute Frage, die ich mir auch manchmal stelle. Wieso sehen Schauspieler immer so toll aus, wenn sie gerade aufwachen? Im Zweifelsfalle ist das auf das Bemühen der Maskenbildnerin zurückzuführen. Bei uns ist das ähnlich. Nach wenigen Stunden krümelt der Lippenstift, die Haut saugt das letzte Restchen Feuchtigkeit mitsamt Farbe ein und die Haare sind elektrisiert. Da hilft nur ab in die Maske. Leider wird die Zeit zum Nachmalen von der Pause abgezogen. Ich zähle mich eher zu den Minimalisten unter den Künstlern, weswegen mir ein wenig Lippenstift, etwas Rouge und ein ordentlicher Lidstrich genügen. Haare werden mit angefeuchteten Händen gebändigt und die Uniform ist weitgehend knitterfrei. Wie es allerdings in mir drin aussieht, steht auf einem ganz anderen Blatt. Aber das sieht ja keiner.

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Montag, 27. August 2007
Walk a mile in my shoes
Müdigkeit, schmerzende Füße und ein Anwachsen des Körperumfanges sind Symptome, unter denen Kabinenmitarbeiter nach einem Arbeitstag fast immer leiden. Zwingen Sie sich probeweise, 24 Stunden ohne geistig anregende Tätigkeit wach zu bleiben, verbringen Sie 12 davon auf einem Laufband, essen Sie zwischendurch 5 Liter Bohnensuppe und setzen sich anschließend, wenn ihr Biorhythmus tiefste Nacht meldet, vor eine grelle Neonröhre, dann wissen Sie, wie wir uns am Zielort in etwa fühlen. Nicht unbedingt beneidenswert, oder? Flugpersonal und so mancher Normalreisende hat nur kurzen Aufenthalt in fernen Städten, weswegen man sich bereits im Anschluß an den langen Flug aus dem Hotel quält. Im Folgenden nun einige wertvolle Tipps aus meinem reichen Erfahrungsfundus für die ersten Stunden in der Fremde.

Wenn ich an Ausflüge in Bangkok, Tokio, Shanghai, Los Angeles oder San Francisco denke, senkt sich über alle Eindrücke ein Schleier der Benommenheit. Man läuft durch Straßen wie ferngesteuert, ständig bemüht, die Augen offenzuhalten und nicht über die eigenen Füße zu stolpern. Leichter Schwindel ist mein treuer Begleiter. Das Sichtfeld ist auf Scheuklappenweite reduziert und die Wahrnehmung ganz allgemein ähnelt der Berieselung vor dem Fernsehgerät, mit dem Unterschied, dass auf der Couch die Füße selten so weh tun. Die Eindrücke ziehen an einem wie ein Film vorbei, in dem man nicht Hauptdarsteller, sondern höchstenfalls Statist ist, den dringenden Wunsch habend, es möge sich nicht um einen Krimi handeln (Statisten in Krimis sind meistens tot) und es komme schon bald ein Bett darin vor.

Falls Sie weiblich sind und glauben, Sie sollten in Frustphasen, während PMS oder bei Liebeskummer besser nicht einkaufen gehen, weil Sie nicht Herr ihrer Bedürfnisse sind, erweitern Sie ihre Liste um den Zustand nach einem Langstreckenflug. Ich habe Flugbegleiterinnen in Johannesburg erlebt, die zum Rückflug neben schweren Koffern riesige Holzgiraffen anschleppten. Das Schicksal der Tiere endet meist elend unter Hausstaub begraben oder im Kamin. Orchideen aus Bangkok gehen nach einiger Zeit von selbst kaputt, nicht aber funktionslose Funktionswäsche aus Asien, für die viele Polyester ihr Leben ließen. Machen Sie sich vorher eine Einkaufsliste - vorausgesetzt Sie haben nicht gerade PMS, Liebeskummer oder sonstigen Frust - und halten Sie sich strikt daran. Aber kaufen Sie NIEMALS etwas, das nicht auf dieser Liste steht. Selbst wenn die Verkäuferin beim Leben ihrer Großmutter geschworen hat, dass Sie eine typische Size 6 sind, wird ihnen die Hose deshalb noch lange nicht passen, und die 38er Bluse aus Fernost ist nunmal für schmalbrüstige Asiatinnen konzipiert. Großmütter von Verkäuferinnen sterben oft früh.

Einzige Ausnahme in obiger Regel ist ein Stadtplan. Dieses notwendige Accessoire könnte Sie in Kombination mit einem Kompass unter Umständen vor dem schmerzhaften Hühneraugentod bewahren. Vorausgesetzt Sie sind eine Frau, die Straßenkarten von Burda-Schnittmustern unterscheiden und ihrem Verwendungszweck gemäß interpretieren kann. Vergessen Sie alles, was Sie über die Hilfsbereitschaft der jeweiligen Landesbewohner gehört haben. Tipps von hilfsbereiten Passanten zählen eher zur Kategorie Smalltalk. Die Wenigsten haben einen so guten Orientierungssinn wie Sie. Erschwerend kommt hinzu, dass man Sie in Fernost lieber in die Irre führt, als die eigene Ahnungslosigkeit zuzugeben. Stadtpläne gibt es übrigens an der Hotelrezeption meist gratis, inklusive für Sie später unverständlicher Kulieinzeichnungen eines Angestellten.

Ein Stadtplan allein macht allerdings auch noch keinen Rückweg. Versichern Sie sich vor Verlassen des Hotels, dass Sie eine Visitenkarte mit Adressaufdruck des selbigen mit sich führen. Je weniger die örtlichen Schriftzeichen unseren europäischen ähneln, um so wertvoller wird das kleine Stück Pappe, das Sie notfalls einem Taxifahrer in die Hand drücken können, vorausgesetzt Sie sind am Ende ihrer Einkaufstour im Besitz von genügend bunt bedruckten Lappen. Falls sich in Ihren Taschen nur noch Münzen befinden, werden Sie den Rückweg wohl oder übel zu Fuß antreten müssen. In meiner Tasche - eine faltbare, die immer mitreist - befinden sich unzählige solcher Pappkärtchen. Die Herausforderung besteht darin, sich für das richtige zu entscheiden. Keine leichte Aufgabe in tranceähnlichem Zustand. Falls Sie die beiden Testfragen 'wie heißen Sie?' und 'wissen Sie, wo sie sind?' für sich nicht eindeutig beantworten können, bleiben Sie lieber im Hotel. Andernfalls könnten Sie sich schnell in einer lokalen geschlossenen Einrichtung wiederfinden.

Fremde Währungseinheiten sind ebenfalls eine große Gefahrenquelle. Der Abnutzungszustand bunt bebilderter Scheine ist ebenso wenig aussagekräftig wie diverse Nullen hinter einer Ziffer. Selbst die Größe von Münzen täuscht manchmal über ihren tatsächlichen Wert. Einzig das Wissen um den Umrechnungskurs hilft hier weiter. Das Rechenzentrum im Gehirn arbeitet jedoch umgekehrt proportional zum Schlafdefizit. Lassen Sie sich nicht dazu verleiten, den entsprechen Koeffizienten der Einfachheit halber zu runden. Wer früher im Österreichurlaub mit Sieben als Multiplikator Schwierigkeiten hatte, sollte sich vor einem Aufenthalt in Asien oder Amerika besser entmündigen lassen. So manches Schnäppchen entpuppt sich nach einer Nacht als Luxusartikel. Auch 100 Yen oder 99 Cent Shops bewahren Sie nicht davor, zu viel Geld auszugeben. Selbst wenn Sie noch so viel Freude beim Erwerb der Billigartikel hatten, glauben Sie mir, die Freude der Tante an einem Plastikelch oder die des Onkels über Toilettenschlappen hält sich in Grenzen.

Zum Schluß noch ein Hinweis in eigener Sache: sollten Sie jemals im Ausland eine auf den Stufen eines öffentlichen Gebäudes zusammengekauerte, weinende Person mit Ray Ban Sonnenbrille und Guccifaketasche bemerken, handelt es sich weder um eine geistig Verwirrte, noch um eine Oberklassenobdachlose, sondern um die Angestellte einer Fluggesellschaft. Setzen Sie sie in das nächste Taxi und geben Sie dem Fahrer genügend Geld, die größeren Hotels der Stadt abzufahren. Mit Ihrem selbstlosen Handeln haben Sie ermöglicht, dass mehr als 200 Passagiere ihr Ziel pünktlich erreichen. Und wer weiß, vielleicht erhalten Sie eines Tages ein Päckchen mit einem Dankschreiben und Toilettenschlappen oder einem Plastikelch. Das könnte der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein.

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Freitag, 27. Juli 2007
Chill out
Psst, hey Sie! Ja, genau Sie in den beigen Shorts und dem Hawaiihemd, und Sie mit dem luftigen Sommerkleidchen und den Sandalen. Ich verrate Ihnen jetzt mal ein Geheimnis: Es mag noch so heiß da draussen in der Sonne sein, wenn Sie kein Jäckchen dabei haben, das Sie sich im Flugzeug überstreifen können, werden Sie möglicherweise frieren. Ich weiß, das ist fast so schwer nachvollziehbar, wie sich während eines Tropenaufenthaltes in eine von Reinhold Messners Zehen hineinzuversetzen. Die Sache ist aber nunmal die, wer ein Flugzeug besteigt, der erwartet normalerweise auch, dass sich selbiges in die Lüfte erhebt. Nur sehr selten kauft sich jemand ein Flugticket, weil man da so gut essen kann. Dort oben kann es dann trotz Heizung schon mal empfindlich kalt werden. Nicht zu vergessen der Bewegungsmangel beim ruhigen Sitzen. Und nein, das Umblättern bunt bedruckter Seiten hat noch keinen ins Schwitzen gebracht.

Meistens landet das Flugzeug auch irgendwann wieder. Erstaunlich, ich weiß, und für viele Passagiere kommt so eine Landung völlig überraschend. Noch viel überraschender ist meistens die Tatsache, dass sich das Wetter am Ankunftsort von dem am Abflugsort manchmal gravierend unterscheidet. Ja, es ist tatsächlich so, das Wetter ist nicht überall gleich. Sogar die Temperaturen variieren. Was der Pilot im Reiseflug über das Wetter erzählt, kann man zwar schnell wieder verdrängen aber irgendwann sollten auch Sie das Flugzeug wieder verlassen, egal ob es stürmt oder schneit, es sei denn, Sie haben einen sofortigen Rückflug gebucht. Und nein, die Decken bleiben an Bord. Das musste ich leider vor einiger Zeit auch der deutschen Schauspielerin Susanne von Borsodings erklären. Selbst wenn die Decke farblich gut mit ihrem Kleid harmoniert hätte, wir machen da keine modischen Ausnahmen.

Wissen Sie, ich befinde mich nicht an Bord, weil ich so gerne fliege, sondern weil ich dafür bezahlt werde. Dafür bewege ich mich ziemlich schnell durch die engen Gänge, wuchte schweres Gepäck über Kopf, schiebe schwere Wagen vor mir her, öffne und schließe schwere Türen, trage schwere Zeitungsstapel herum und balanciere schwere Tabletts mit ausgestrecktem Arm. Mein Arbeitgeber wünscht, dass ich dabei nett aussehe und eine möglichst angenehme Duftspur hinterlasse. Also bitte verlangen Sie nicht von mir, die Innentemperatur zu erhöhen. ICH friere NICHT. Und falls Sie mich jetzt für ignorant und nicht genügend serviceorientiert halten, dann versuchen Sie folgendes Experiment: wenden Sie sich mit derselben Bitte an einen Kellner in einem klimatisierten Restaurant und warten Sie ab, was passiert.

Im Falle von Gänsehaut wirkt etwas mehr Stoff wahre Wunder. Den Unbelehrbaren möchte ich an dieser Stelle sagen, Vorstellungskraft ist die stärkste menschliche Kraft. Machen Sie sich einfach ein paar warme Gedanken und lassen mich in Ruhe.

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Dienstag, 26. Juni 2007
Still standing
Habe ich eigentlich schon von dem alten indischen Pärchen erzählt, das mich während des Reisefluges nach Nordamerika ansprach und wissen wollte, wann wir ankommen? Ich sagte, wir würden pünktlich landen, der Flug dauere allerdings noch X Stunden.
Betrübt schüttelte der alte Mann den Kopf. Nein, wir würden wohl nicht pünktlich landen. Warum er sich so sicher sei, fragte ich ihn leicht irritiert nach einigem hin und her. Wie zum Beweis schob er die Fensterverdunkelung nach oben und deutete auf die geschlossene Wolkenschicht: "But we are still standing. What are we waiting for?"

Er ließ sich auch durch meine ausführlichen Erklärungen nicht von seiner Überzeugung abbringen, wir würden in der Luft stehen. Einige Zeit später war ein Kollege offensichtlich in ein Gespräch mit ihm verwickelt. Beim Vorbeigehen konnte ich mir ein süffisantes "viel Spaß!" nicht verkneifen.

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Donnerstag, 31. Mai 2007
Running out of time
Zweimal geblinzelt und schon ist wieder eine Woche vorbei. Kaum hat man sich an erhöhte Temperaturen gewöhnt, sollten die Vorbereitungen für Weihnachten bald beginnen. Unerklärlich, warum ich für die paar Tage jedes Jahr Sommerreifen aufziehe und Kleidungsstücke mit wenig Stoff erwerbe. Könnte man sich alles sparen. Und die Blogbeiträge werden auch immer spärlicher. Dabei würde mir schon das ein oder andere einfallen, beispielsweise durfte ich kürzlich den bekannten Fernsehkoch und Autor Paulsen auf einem Flug nach Übersee begleiten. Noch während ich mir überlegte, mit welchen geistreichen Worten ich das Gespräch eröffnen könnte, entstanden erste Zweifel an seiner Identität, als er sich in akzentfreiem Südstaatenslang mit seinem Sitznachbarn zu unterhalten begann. Zudem nehme ich an, Herr Paulsen bevorzugt Direktflüge nach Barcelona statt Umsteigeverbindungen über Japan oder China.

In letzter Zeit häufen sich derlei Fälle auf erschreckende Weise. Auf jedem zweiten Flug glaube ich, Blogger oder andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens - selbst bei genauerer Betrachtung - zu erkennen. Aus Lieschen Müller wird ruckzuck Liza Minelli und ein grauer Lockenkopf mutiert in meinen Gedanken zu Simon Rattle. Ich sollte wirklich öfter Brille tragen.

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Donnerstag, 3. Mai 2007
A little less conversation
Auf Flügen nach Amerika wird mir immer wieder schmerzlich bewußt, wieviel ich an aktivem Wortschatz in den letzten Jahren eingebüßt habe. Was mich ehemals nicht mal einen Wimpernschlag kostete, bedeutet heute langes Grübeln bei der korrekten Übersetzung manch gebräuchlicher Phrase. Dafür kamen Komponenten der Speisekarte hinzu, für die ich früher Langenscheidt bemüht hätte, und die lauten Umgebungsgeräusche während des Fluges helfen kleine Peinlichkeiten zu überspielen, wenn ich Gästen anstelle von 'crab' oder 'crêpe' 'crap' anbiete.

So wurde ich von einer Dame nach der Bezeichnung der gelben Felder gefragt, die sie kurz nach dem Start in München gesehen hatte. Das englische Wort für Raps wusste ich noch nie, weswegen ich auch nicht nachzudenken brauchte. Um dem Klischee der dummen Saftschubse zu entgehen, hätte ich ihr im Gegenzug von meiner 'rupture of hamstring muscle fiber' berichten können - immerhin lerne ich derzeit fleißig anatomische Begriffe, damit ich im Tanztraining immer schön sagen kann, wo's weh tut. Das Gespräch bot jedoch keine Gelegenheit. Meine Chance würde sicher dann kommen, wenn ein Amerikaner das tut, was er am liebsten tut, nämlich nach dem allgemeinen Befinden zu fragen. Die ausführliche Beantwortung der Frage 'how are you?' führt meist zu einem abrupten Ende des Gespräches noch bevor es richtig beginnt, was wiederum die folgenden Gäste beim Einsteigevorgang von ähnlichen Fragestellungen abhält. Zwei Fliegen mit einer Klappe, das nenne ich diplomatische Konversation.

Warum nur geistert mir auf USA Flügen beim Einsteigevorgang immer der Satz "A little less conversation, a little more action please" durch den Kopf?

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