Sonntag, 20. August 2006
Just gimme some thruth
Das Leben ist eine stetige Abfolge von Enttäuschungen. Je älter man wird, desto schneller vergeht zwar die Zeit, aber sie heilt keine Wunden. Das erzählen wir dir nur, damit du die Schnauze hälst...[weiter]

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Die musikalische Reise - Teil 22
Von La Coruna ist sie mit dem Flugzeug nach München zurückgekehrt. Mit Aufsetzen der Räder fühlt sie sich augenblicklich in die Realität katapultiert. Die unbeschwerte Zeit wird nun von Verpflichtungen abgelöst. Sie muss sich mit der Agentur in Verbindung setzen, die immer noch glaubt, sie sei erkrankt. Ihre Schüler warten ebenfalls auf ihre Rückkehr. Außerdem liegt ihr das Telefonat mit der Mutter im Magen. Sie weiß nicht, wie sie ihren kleinen Ausflug erklären soll, denn obwohl sie den Kinderschuhen entwachsen ist, spielt ihre Mutter immer noch gerne die erbarmungslose Erzieherin. Die Freiheit, die sie sich genommen hat, wird ihren Tribut jetzt einfordern. Wie sehr hätte sie sich gewünscht, wenigstens einen kleinen Teil der Freiheit mitzunehmen. Wie soll sie über die Musik dem Zuhörer eine Illusion von Freiheit übermitteln, wenn ihr innerstes an den Ketten äußerer Zwänge gefesselt ist. Natürlich ist Freiheit nie unbegrenzt – das weiß sie. Vielmehr bedeutet Freiheit, sich innerhalb vorgegebener Grenzen zu bewegen und diese zu erweitern. Zwänge sind in der nachschaffenden Kunst bereits systemimmanent. Vom Komponisten vorgegebene Parameter lassen nur begrenzte Interpretationsmöglichkeiten zu. Zudem spielen ihr körperliche Begrenzungen wie Anschlagtechnik, die Spannweite ihrer Hände oder ihre Reaktionsgeschwindigkeit ab und zu einen Streich, nicht zu vergessen ihr eigenes Denken, das immer von Versagensängsten durchwoben ist. Sie wird sich damit abfinden müssen, dass ihre Arbeit an sich und dem Instrument eine dauerhafte bleibt. Selbst wenn sie, während eines Konzertes ab und an einen Höhenflug im endlos scheinenden Musikhimmel beginnt, wird sie immer wieder landen müssen. Der nächste Abflug ist genauso hart erkämpft, wie jeder einzelne davor. Bei diesem Gedanken seufzt sie leise. Wie schön wäre es, könnte sie noch genauso unbedarft musizieren wie früher. Als sie sich noch keine Gedanken um Leistung und Konkurrenz zu machen brauchte, bedeutete Klavierspielen für sie, alles um sich herum inklusive sich selbst zu vergessen. Später trat an die Stelle der Selbstvergessenheit eine eiserne Disziplin und Selbstkritik. Sie war bereit, alles zu geben, alles zu opfern. Wäre es von Nutzen gewesen, hätte sie sich ohne zu zögern die Finger gebrochen. Kein professioneller Künstler ist frei von Besessenheit. Die Sehnsucht nach Selbstausdruck wird umso stärker, je besser es gelingt. Wie ein Süchtiger verzehrt er sich nach der Leichtigkeit, die so schwer zu erringen ist. Dafür geht er nötigenfalls über seine eigene Leiche. Manchmal beneidet sie ihre Schüler für deren Unbedarftheit – eine Form der Naivität, die ihr für immer verloren scheint. Sie ist streng zu ihnen, wo nötig, und nachsichtig zugleich. Die Augen der Lernenden lechzen nach Anerkennung und senken sich verschämt nach einer Rüge zu Boden. Sie erkennt in ihnen sich selbst vor vielen Jahren. Gerne wäre sie eine gute Lehrerin, eine, die das in den Schülern weckt, was in ihnen schlummert, doch manchmal wächst ihr alles über den Kopf. Erwartungen und Sehnsüchte, einfach alles erinnert sie zu sehr an ihre Ketten. Nach einem Unterrichtstag fühlt sie sich ausgesaugt. Selbst das Musizieren gibt ihr an solchen Tagen nicht mehr die nötige Kraft zurück. Dabei ist sie mit Sicherheit eine bessere Pädagogin als die vielen frustrierten Musiker, die sich allein für den Lebensunterhalt zu Unterrichten gezwungen sehen.

Obwohl die Stadt von der Sonne freundlich beschienen wird, senkt sich bei der Ankunft an ihrer Wohnung ein grauer Schleier auf ihre Seele. Sie sperrt die Türe auf und stellt ihre Tasche in den Flur. Die Tasche der Erinnerungen an ihre Reise scheint irgendwo auf halbem Weg verlorengegangen zu sein. Ein paar Briefe, einige Anrufe auf der Maschine, ein wenig mehr Staub auf den Regalen, ansonsten ist alles wie immer. Es scheint fast so, als wäre sie nie weggewesen. Nachdem sie ihre Tasche ausgeräumt hat, setzt sie sich mit einer Tasse Tee in die Küche und blättert lustlos durch die Post. Die Ansichtskarte – vermutlich von einem Schüler – legt sie mit den Rechnungen achtlos beiseite. Schließlich holt sie das Telefon. Ihr Arm scheint plötzlich unendlich schwer. Sie muss sich zwingen, die Nummer einzugeben. Dann hält sie den Hörer ans Ohr und lauscht zwischen dem Freisignal in eine imaginäre Ferne.

[Irgendwie ist die Luft raus. Mal sehen, ob ich bald weiterschreibe...]

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