Dienstag, 16. Mai 2006
What are u lookin´for? (2)
Heute mal kurz herzlich gelacht:

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Und? Wie wollen wir Uschi bestrafen? Vorschläge?

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Das Verhalten des Einzelnen in der zähen Masse
Auf diesen Beitrag von Frau eins60 bin ich erst gestern zufällig gestoßen (körperlich eins sechzig, geistig drei Meter zehn). Lesenswert, sehr sogar!

Und dann ist es zu spät. Dann ist die Chance vorbeigelaufen, dann hat sich der andere leise verabschiedet, geht in eine andere Stadt, eine andere Freundschaft oder ins Jenseits. Und der Moment ist verstrichen, in dem man sein Leben hätte ändern können, in dem man jemandem hätte nah sein können. Der Moment, in dem man hätte platzen können vor Glück. Für diese Gefühlsjubelei nehme ich den Fall in die stinkende Brühe der Niederlage in Kauf.

Das mit dem Jenseits passiert leider viel zu häufig. Ist auch menschlich, irgendwie. Aber immerhin bleibt die Zeit, die man sich hier täglich um die Ohren schlägt. Und die kann man ja sinnvoll nutzen, anstatt sich an der Sicherungskopie festzukrallen. Meistens ändert man sein Leben nur, wenn man von ihm gezwungen wird. Wenn überhaupt nichts mehr geht, wird der Krisenstab einberufen, analysiert, diskutiert und neue Strategien entwickelt. Schade, dass es immer erst zu einem Systemzusammenbruch kommen muss. Wer schon die kleinen Bugs im vorfeld sieht und repariert, wird später nicht den ganzen Mist neu konfigurieren müssen. Auf dem Sterbebett ist es nämlich zu spät. Dann kann man nur noch bedauern, was man versäumt hat.

Note to myself: mal wieder die laufenden Prozesse im Taskmanager angucken.

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Die musikalische Reise - Teil 3
Die Konzertagentur schreibt ihr vor, wo sie heute und morgen zu sein hat. Die entscheiden über ihr Leben. Damals, gleich nach ihrem ersten gewonnenen Wettbewerb hat ihr ehrgeiziger Vater diese Agentur über einen Freund engagiert. Man machte Bekanntschaften, knobelte Geschäftsbeziehungen und kleine Gefälligkeiten neben dem kalten Buffet oder einem Glas Wein aus. Zusammenkünfte, bei denen sie regelmäßig durch Abwesenheit glänzte. Nur während der Hausmusikzirkel durfte sie als Hauptattraktion nie fehlen. Sie war das Zirkuspferdchen, das Kunststücke am heimischen Flügel präsentierte. Damals hasste sie diese Treffen der Einflussreichen im elterlichen Haus und liebte es zugleich, Anerkennung in Form von Applaus zu bekommen. Die Konzertagentur war mittlerweile nicht mehr für sie als der verlängerte Arm der Eltern. Wo sie wann zu sein hat, wird ihr per Post übermittelt. Heute soll sie mit einem Orchester unter der Leitung eines unbekannten Dirigenten in Budapest spielen, wo sie zwei Tage bleiben würde. Dann übermorgen Rom, am darauffolgenden Tag heim, um den Koffer umzupacken und sich auf das Debüt in der Carnegie Hall vorzubereiten. All das wächst ihr langsam über den Kopf. Sie hasst es, fremdbestimmt zu sein. Viel lieber würde sie Luft schöpfen, ihren Gedanken nachhängen und in der ihr gewohnten Umgebung sein. Doch die Saat des Ehrgeizes ihrer Eltern scheint Früchte zu tragen. Sie will nicht ohne den Applaus sein, ohne die Anerkennung für ihre Entbehrungen und seelischen Qualen. Da ist etwas in ihr, das sie anzutreiben scheint, immer weiter zu gehen. Weiter und weiter, wie der Wanderer, der ihr aus Schuberts Werk so nah scheint.

Die Altstadt Budapests empfängt sie freundlich. Frühsommerliche Sonne erwärmt den Asphalt. Noch sind die Temperaturen erträglich. Sie erinnert sich an die Hitze des Spätsommers einer Klassenfahrt hierher. Die Blasen an ihren Füssen schmerzten, als sie von Laden zu Laden lief, um Klaviernoten aus den Archivaren aufzutreiben. Vieles wurde in der Zeit, als Budapest noch unter sozialistisch kommunistischem Regime stand, billiger verkauft, als sie es in Deutschland hätte erwerben können. Eines der damals erworbenen Schnäppchen war Bartóks Allegro barbaro. Dieses Kleinod, das ihr in den Stunden der Wut so ans Herz gewachsen war, würde sie heute Abend als Zugabe spielen. Nicht gerade kompatibel mit dem so erhabenen Mozart. Mozart sei leicht, verspielt und dennoch tragisch. Die Worte ihrer langjährigen Lehrerin während der Schulzeit klingen noch in ihrem Ohr. Bartók sei wild, zornig und ursprünglich. Diese Äusserung machte sie neugierig. Sie musste die Noten haben, den Text lernen, die Gefühle durch ihre Finger begreifen. Je öfter sie das Allegro spielte, umso mehr fühlte sie mit der Zeit die Kraft der Aussage in Klängen. Manchmal war sie so wütend auf ihre Eltern, dass sie in ihr Zimmer rannte, die Türe hinter sich zuknallte und mit der Faust auf die Klaviatur hämmerndihren Gefühlen freien Lauf ließ. Klänge wurden zum Befreiungsschlag gegen die elterliche Unterdrückung, jedes Fortissimo ein Aufschrei gegen empfundene Ungerechtigkeit. Obwohl all das lange her ist, spürt sie immer noch die Kraft, die in Bartóks Stück gebannt scheint. Manches Mal wünschte sie, einem Menschen zu begegnen, der die durch ihre Finger hervorgebrachten Aussagen deuten könnte.

Die Kettenbrücke verbindet Búda mit Pest. Alte Autokatalysatoren machen die Luft dort stickig. Sie steht eine Weile auf der Brücke und starrt auf das fließende Donauwasser. Was wäre, wenn sie einfach hinunterspringen würde? Ein durchaus reizvolles Gedankenspiel. Nein, tot wäre sie nicht, dazu braucht es mehr. Was wäre, wenn sie sich das Leben nehmen würde? Wer würde um sie trauern, wer sie vermissen? Natürlich wäre das eine Schande für die Eltern. Sie wären schockiert, wüssten nicht, was sie im Bekanntenkreis sagen sollten. Während sie diesen Gedanken nachhängt, erblickt sie ein Blatt, das auf der Wasseroberfläche dahinschwimmt. Nein, solche Gedanken will sie abschütteln wie der Wind das herbstliche Blatt am Baum. Viel zu sehr ist sie mit dem Leben verwachsen, mit den Tönen und mit dem Augenblick, der sie sich jeden Moment neu kreieren lässt. Sie ist in ihrem Innersten reich, ausgefüllt von Gedanken und Gefühlen, die sie jetzt der Welt zu präsentieren bereit ist. Diese Chance will sie sich nicht entgehen lassen. Während sie langsam das Trottoire neben dem Brückengeländer entlang schlendert, erklingen in ihrem inneren Ohr die ersten Takte des Mozartkonzertes. So oft hat sie sich die Aufnahme von Clara Haskil unter einem nicht namhaften Orchester mit einem noch viel unnamhafteren Dirigenten angehört. Diese Frau, die ihre wichtigsten Lebensjahre in einem Gipskorsett verbrachte, war eine ihrer heimlichen Heldinnen. Nur wenige Aufnahmen zeugen von ihrer schöpferischen Kraft. Dennoch gelangte sie posthum durch einen nach ihr benannten Klavierwettbewerb und einige wenige erhaltene Aufnahmen zu Weltruhm. Die Aufnahme des langsamen Satzes aus dem Mozartklavierkonzert KV 488 birgt so viel von diesem Leiden, von der trotzigen Zärtlichkeit der Interpretin, dass man sie kaum ohne davon berührt zu sein anhören kann. Genau dieses Erbe wird sie heute Abend in die Welt tragen. Wer es nicht begriffen hat, wird spätestens durch ihre heutige Interpretation begreifen, welche Dimensionen solch ein Werk zu eröffnen in der Lage ist. Mit diesen Gedanken im Schlepptau schreitet sie langsam ihrer derzeitigen Unterkunft entgegen. Langsam senkt sich die Abenddämmerung über die Stadt. Hier will sie nicht bleiben, lieber einen Tag früher abreisen, lieber bei sich sein. Noch bevor sie den Konzertsaal betritt, wird sie auch von dieser Stadt Abschied genommen haben.

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Montag, 15. Mai 2006
Itchy bitchy steamy beamy
Vor drei Wochen wurde mir die abschraubbare Autoantenne geklaut. Seither renne ich in der Gegend rum und sehe nur noch Autoantennen. Erst dachte ich Schraubst halt eine von einem fremden Auto ab aber das entspricht mir nicht. Allerdings muss ich zugeben, juckt es gewaltig in den Fingern. Folgender Dialog entspannt sich so oder ähnlich seitdem fast täglich in meinem Hirn:

Bitch:Guck mal, da ist ein VW mit Starnberger Kennzeichen.
Moralizer: Ja und?
Bitch: Komm schon, der kann 50 Tacken sicher verkraften. Wohnt nicht umsonst auf dem gehobeneren Land.
Moralizer: Ganz toll. Irgendeiner fängt mit diesem Scheiß an und dann geht´s einmal rundrum. Du musst das unterbrechen. Erst rumnölen, wie schlecht die Welt ist und dass die Leut keinen Respekt vor Privateigentum mehr haben aber selber keinen Deut besser sein oder wie?
Bitch: C´mon, davon wird die Welt auch nicht besser. So eine klitzekleine Antenne von einem klitzekleinen Auto....
Moralizer: NEIN! BASTA!
Bitch: *schmollt*
Moralizer: Hey Spatzl, morgen gehen wir zum Mediamarkt eine Antenne kaufen, hm, was meinst? *knufft mit dem Ellenbogen*
Bitch: grmlgrmlgrml
Moralizer: Gleich morgen früh. Als allererstes, ja?
Bitch: gnagnagna
Moralizer: Jetzt sei halt ned a so! *stubst mit dem Finger in die Rippen*
Bitch: hihi...pfffhmm...mhm. *nickt ganz leicht*
Moralizer: Na also, geht doch. Jetzt gibst ma noch ein Bussi und dann simma wieder gut *hält die Backe hin*
Bitch: Alter Depp! Bis morgen hast es eh wieder vergessen.
*singt leise* S´war immer so, s´war immer so...

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What are u lookin´for?
Seit etwa 5 Tagen häufen sich bei mir merkwürdige Suchanfragen:

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und das sind noch lange nicht alle.

Sehr geehrter Sucher,
wie wäre es mit einer Mail an mich mit entsprechender Suchanfrage? Das spart enorm viel Zeit und ich könnte vielleicht die ein oder andere Frage klären.

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Die musikalische Reise - Teil 2
Die Sonne kitzelt ihre Nase, als sie mit dem Bus vom Flughafen ins Zentrum fährt. Auf den Straßen ist lebhafter Verkehr. Mofas knattern zwischen hupenden Autos. Frauen in engen T-Shirts laufen nebenher, Männer in Anzügen, eine Zeitung unter dem Arm, eilen ihrer täglichen Arbeit entgegen. Der Sommer mit seiner unbarmherzig heißen Luft ist nicht mehr weit. Mit der linken Hand klopft sie die Eingangsakkorde von Ravels Alborada del gracioso auf den Koffer neben ihren Beinen. Heute Abend wird sie es im Palau de la música spielen, ein prachtvolles Konzerthaus in Jugendstilmanier mit hervorragender Akkustik, in dem bereits der junge Rubinstein debutierte. Die Herausforderung lag nicht am schweren Erbe – gab es doch immer wieder große Pianisten, die Meilensteine in der Interpretation verschiedener Kompositionen gesetzt hatten – und auch nicht am Publikum, das gerne Landsmänner feiert, sich jedoch ausländischen Interpreten gegenüber verhalten zeigt. Die größte Herausforderung für einen Pianisten ist, sich immer wieder auf ein fremdes Instrument einstellen zu müssen. Wie wird der Flügel gestimmt sein? Macht dem Instrument die Luftfeuchtigkeit des Meeres bereits zu schaffen? Ist es gut gestimmt? Selbst Namen wie Steinway oder Bechstein garantieren alleine noch lange keine Perfektion. Zu viele Faktoren beeinflussen den Klang des Instrumentes, als dass man von gleichbleibenden Vorraussetzungen sprechen könnte. In die Renovierung der Konzertsäle wird Geld gesteckt, das an Gagen und Instrumentenwartung eingespart wird. Sie spürt Unruhe in sich aufsteigen. Wenn sie in der kleinen Pension ganz in der Nähe der Catedral de Sta. Eulalia angekommen ist, wird sie die Konzertdirektion anrufen und anschließend im Palau Bekanntschaft mit dem schwarzen Ungeheuer zu machen.

Im Palau ist es angenehm kühl. Zwei Putzfrauen schieben ihre Besen zwischen den Reihen vor sich her. Die samtbezogenen Sitze sind wie Kinobestuhlung tagsüber hochgeklappt. Sie sitzt auf der Bühne und lässt ihren Blick über die beiden Emporen schweifen, während ihre Finger über die Tasten gleiten. Abwechselnd erklingen Passagen aus der Schumann Fantasie op. 17, Liszts Sonetto del Petrarca – das Horrowitz in seinem ersten Berliner Konzert nach dem Krieg so unnachahmlich spielte – und diverse Fingerübungen. Sie hat für den Abend ein deutsches Programm gewählt. Stücke aus dem Wettbewerb und solche, die sie schon lange begleiten sind dabei. Für die Zugabe hat sie Ravel und zwei kleine Preludes von Chopin gewählt. Sie ist zu tief in Gedanken, als dass sie das fröhliche Geplapper und Klappern der Putzfrauen beim Aufwärmen stören würde. Heute Abend werden die Emporen mit Menschen gefüllt sein. Der Saal ist nahezu ausverkauft. Schätzungsweise 500 Augenpaare werden dann auf sie gerichtet sein, die in diesem Moment, wenn sie sich vor das schwarze Monster setzt, der einsamste Mensch auf Erden ist. Dann wird sie ihre Fingerspitzen auf die Tasten legen, einmal tief einatmen, um anschließend die Musik aus ihrem Kopf und Körper zu entlassen. Wenn die ersten Klänge den Raum füllen, wird sie in das Zwiegespräch mit ihnen eintreten. Dann existiert kein Bewusstsein von Ich mehr. Die Töne werden mit ihrer Seele verschmelzen und an die Stelle der Worte in ihrem Kopf treten. Diesen Moment liebt sie. Sie ist so süchtig danach, dass sie dafür alle Entbehrungen und Ängste gerne auf sich nimmt. In diesem Moment weiß sie, wer sie ist, obwohl sie gleichzeitig nicht mehr ist.

Die Sonne schneidet in die Augen, als sie aus dem dunklen Eingang des Palau tritt. Für einen kurzen Augenblick ist sie blind. Sie nimmt die Gerüche der Straße wahr, saugt sie in sich ein, hört Stimmen und Vogelzwitschern, das Knattern der Lastwägen, spürt die Wärme auf ihrer Haut. Den ersten Schritt nach draußen macht sie mit geschlossenen Augen. Ihre Füße wissen, wohin das Herz möchte. Andere Menschen, andere Zeit. Wenn sie die Augen geschlossen hält, kann sie seine Schritte hören, seinen Arm spüren. Wie an jedem Nachmittag gehen sie in Richtung Barceloneta ans Wasser. Auf dem Weg dorthin ein kleiner Abstecher in die Catedral Sta. Maria del mar, wo sie eine kleine Weile ganz still nebeneinander sitzen. Als sie die Augen wieder öffnet, ist er verschwunden. Sie ist eine andere und wäre doch gerne die, die sie damals war. Dafür würde sie sogar die Musik eintauschen, mit all ihren grandiosen Momenten. Während sie weitergeht, überfliegt sie das Fax ihrer Agentur. Morgen schon wird sie nicht mehr hier sein. Man hat ein Konzert in Budapest für sie arrangiert. Dort wird sie ihr Mozart Konzert vom Finale mit Orchester spielen. Zeit, um von der Vergangenheit Abschied zu nehmen.

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Sonntag, 14. Mai 2006
Die musikalische Reise - Teil 1
Frau Svashtara hat gerufen und ich folge ihr in 30 Tagen/Teilen um die Welt:


Gestern erst ist sie von Moskau zurückgekehrt. Sie fühlte sich so müde, unendlich müde und erschöpft. Einige Tage nach dem großen Ereignis, dem großen Empfang und der anschließenden Feier, war sie mit leerem Kopf durch die Trostlosigkeit Moskaus gestreift. Monumentale Bauten, die die Armut der Menschen überstrahlen sollen, haben sie zu all der abgefallenen Anstrengung zusätzlich ausgesaugt. Dabei weiß sie, dass dies erst der Anfang war. Wenn man einen so wichtigen Preis wie den des Tschaikowskywettbewerbs gewonnen hatte, konnte dies den Beginn einer internationalen Karriere bedeuten. Man muss es nur geschickt anpacken. Die Musikwelt blickt gespannt auf die Geschehnisse innerhalb der bedeutenden Wettbewerbe. Als Martha Argerich beim Chopinwettbewerb unter Protest aus der Jury austrat, weil Ivo Pogorelich nur der dritte Preis zugeteilt wurde, obwohl er laut ihrer Aussage ein Genie wäre, war sein Name in aller Munde. Diesen Preis verdankte sie zahlreichen Studien alter Meister und ihrem Lehrer, der Mentor und Berater, aber auch Drillmeister in einer Person ist. Er ist ihr personifiziertes schlechtes Gewissen und gleichzeitig ihr Selbstbewusstsein. Wie sehr hatten sie noch bei der Auswahl der Stücke gestritten. Das dritte Klavierkonzert von Rachmaninov wollte sie spielen, mit dem ersten Satz ihre unglaubliche Virtuosität unter Beweis stellen, und immer wieder ermahnte er sie, ihre eigentliche Stärke, ihr musikalisches Verständnis mit der ihr eigenen klanglichen Vielfalt zum Ausdruck zu bringen. Schließlich gab sie nach. Der langsame Satz vom A-Dur Konzert KV488 brachte ihr im Finalkonzert nicht nur stehende Ovation vom Publikum, sondern auch den entscheidenden Vorteil im Sieg gegen den Koreaner ein.

Sie mag nicht üben. Die Stücke sitzen sowieso in ihren Fingern und dem Kopf, klingen im Ohr und Herzen. Sie muss nicht mehr tun, als sich von Ängsten zu befreien, damit die Töne aus ihr herausfließen können. Dafür hat sie lange und hart gearbeitet. Morgen wird sie nach Barcelona reisen, um ein Klavierrezital zu geben. Die Einladung traf bereits vor ihr im heimatlichen Briefkasten ein. Man hatte diesen Termin extra für einen der Finalisten des Wettbewerbs, vorzugsweise für den Gewinner, reserviert. Vor einigen Jahren war sie schon einmal in Barcelona, damals für einen Meisterkurs. Die Stadt weckt mit dem ihr ganz eigenen Charme alte Erinnerungen. Jetzt im warmen Frühlingswind zeigte sie sich von ihrer schönsten Seite. Ein zusätzlicher Anreiz für die spontane Zusage. Der Koffer liegt aufgeklappt neben dem Bett, wie sie ihn gestern dort abgelegt hat. Das lange schwarze Kleid hängt vor dem Schrank. Während sie getragene Kleidungsstücke durch frische ersetzt, die Konzertschuhe einem prüfenden Blick unterzieht und schließlich das erforderliche Notenmaterial sortiert, schlendert sie in Gedanken bereits die kleinen Gassen der Altstadt zwischen kühlem Mauerwerk entlang, an gaudíesken Fassaden vorbei, streift mit einem Blick die Miró-Statuen und verliert sich über dem Wasser im Hafen. Ja, damals war sie noch viel jünger als jetzt und verliebt. Die Eltern hatten ihr verboten, den Kunststudenten wiederzusehen. Sie hätte keine Zeit für derlei Geplänkel. Ihre Karriere sei viel wichtiger. Der teure Unterricht, die vielen Übungsstunden am Klavier, ob sie dies alles für ein Strohfeuer auf´s Spiel setzen wolle. Ja, das wollte sie damals, wollte mit ihm barfuß im Regen über die Wiesen des Parks de Ciudadella laufen, war neugierig auf die vielen kleinen Clubs und Bars, in denen sie sich mit seinen Freunden trafen. Es war damals eine fremde neue Welt für sie. Dafür hatte sie nie Zeit. Wenn andere mit Freunden zum Skifahren oder im Sommer ins Freibad gingen, saß sie am Klavier und übte. Sie übte, als sich die Mädchen ihrer Klasse zum Abschlussball herrichteten. Sie übte, als sich gefundene Pärchen händchenhaltend zur Eisdiele schlenderten. Sie übte, als die Ersten ihren Führerschein begossen. Sie übte, als die anderen den Abiturstreich ausheckten. Und sie übte – damals schon am Konservatorium – als sich die Klassenkameraden erst für den ein oder anderen Studiengang entschieden. Sie hatte nie eine Wahl. Eine Gabe ist eine Aufgabe sagte man ihr. Dieser Spruch schien sie wie ein Fluch zu verfolgen.

Mit Schwung klappt sie den Deckel des Koffers zu. Keine Zeit für dunkle Gedanken. Morgen wird sie früh aufstehen müssen, um das erste Flugzeug nach Barcelona zu bekommen. Neben einer kleinen Einspielprobe am fremden Instrument will sie ein wenig durch die Stadt schlendern, alten Erinnerungen melancholisch nachhängen, neue Eindrücke sammeln und alles in sich aufsaugen, um es schließlich in ihrem Spiel hörbar zu machen. Morgen schon, nur einige Stunden ist das Ereignis weg, doch die Erinnerung macht alles so nah, als wäre sie bereits dort.


Bomec, bitte helfen Sie mir, sich in Ihrer Stadt zurechtzufinden.

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Yo mama!
Aus aktuellem Anlass:

Früher dachte ich immer, Mutter zu sein wäre bestimmt ganz schlimm. Dabei bezog sich mein Urteil nicht auf die Fakten meiner eigenen Erfahrung, sondern vielmehr auf einen einzigen Umstand. Meine Oma erhielt regelmäßig Spendenbittbriefe vom Müttergenesungswerk. Wenn Mütter genesen sollen, wären sie demnach krank, so meine Schlussfolgerung. Ich dachte weiter, Mutter sein wäre so was wie eine Grippe mit hohem Fieber, die aber nie vorbeigeht. Deswegen beschenkte ich meine Mutter regelmäßig am Muttertag mit selbstgemalten Bildern, auf denen alles Gute, wahlweise auch gute Besserung stand. Natürlich wurde das irgendwie missverstanden. Dabei hatte ich es nur gut gemeint. Mit den Jahren folgte Selbstgebasteltes aus Filz, Streichhölzern und leeren Klopapierrollen. Ich war sozusagen Vorreiter für die moderne Kunst. Beuys hat später meine Idee mit dem Filz geklaut. Wie er allerdings von meinen Werken Wind bekam, ist mir ein Rätsel. Wahrscheinlich – so meine Vermutung – wurde unser Müll damals wegen der hohen Verbrennungskosten oder einer geheimen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Kohleabbaukumpel von Süddeutschland ins Ruhrgebiet transportiert. Immerhin fand ich eines meiner Werke in der Tonne hinter dem Haus. Grund genug, von nun an auf verfallbeständigere Materialien wie gebrannter Ton und Stein auszuweichen.

Irgendwann begann ich den Muttertag zu hassen. In der Schule mussten wir im Werkunterricht bereits eine Woche vor besagtem Tag mit Bastelarbeiten beginnen, die dann zuhause sowieso im Müll landen würden. Außerdem war ungeachtet der Wetterlage ein obligatorischer Spaziergang an diesem Tag angesagt. Ich war Spaziergangnehmer. Von Gewerkschaft und Betriebsrat war damals noch nicht die Rede. Während ich lustlos durch Wald und Wiesen hinter meiner Rudimentärfamilie herschlurfte, sammelte ich Steine, die ich meiner Mutter aufgrund eingeschränkter Jackentaschenkapazität in die Handtasche schmuggelte. Nach unserer Rückkehr leerte meine Mutter ihre Tasche aus und ich sortierte vor ihren Augen die für mich weniger wertvollen mit gezieltem Wurf durch die offene Balkontüre aus. Das war die Mehrzahl der Steine und meine späte Rache.

Heute empfinde ich es – abgesehen von krakeelenden Kleinkindern und Platzmangel– noch ganz nachvollziehbar, wenn die Familien morgens zum Frühstück mit den Kleinen öffentliche Lokalitäten aufsuchen, in denen ich aufgrund von Einkaufsverweigerung zu frühstücken gezwungen bin. Schlimm sind aber die erwachsenen Kinder, die ihren Müttern gelangweilt im gebügelten Hemd gegenübersitzen, um der Mama was Gutes zu tun. Sätze wie Ach wie schön, dass wir heute mal zusammen frühstücken werden zum konversationslückenfüllenden Mantra. Solcherlei Zusammenkünfte sind nur noch durch die Anwesenheit des jeweiligen Lebensabschnittsgefährten zu toppen. Dann sitzen Mama und Tochter/Sohnemann, die Abstammung unverkennbar im Gesicht tragend, nebeneinander und werden durch ein zwischen beiden hin und her wanderndes Augenpaar von gegenüber permanent verglichen. Ich bin mir sicher, die Trennungsrate steigt nach so einem Tag bei unverheirateten Paaren erheblich. Keiner kann die Augen vor den Spuren des Älterwerdens verschließen, doch während man sich selbst mit gnädigeren Augen betrachtet, wird im Angesicht der gealterten Ausgabe des Bettgefährten keine Gnade mehr möglich sein. Mal ganz ehrlich, wer hatte nach einer Familienzusammenkunft nicht schon das Antlitz der Schwiegermutter im Kopf, während man sich abends dem Partner lustvoll nähert. Im Angesicht der Schwiegermutter stirbt jegliche Erotik. Es soll dies gar ein in Fachkreisen empfohlenes Mittel gegen vorzeitigen Orgasmus sein. Davon ist unbedingt abzuraten, denn auf Dauer könnte dies nicht nur einen vorzeitigen Orgasmus, sondern jegliche Lust im Keime ersticken. Und da wundern sich noch Manche, dass ältere Männer oft jüngere Frauen bevorzugen. Bei so manchen Gesichtern, die ich heute sah, wundert mich nichts mehr. Erotisches Heimweh hat seine Wurzeln in genau solchen Tagen wie heute.

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