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Sonntag, 6. Juli 2008
In the air tonight
frau klugscheisser, 08:54h
Da ist etwas in der Luft. Während ich in die Pedale trete, weht es mir um die Nase, als wolle es sich darunter reiben. Es ist eine dieser lauen Sommernächte, in denen alles möglich scheint. Noch vor einigen Minuten saß ich grübelnd daheim, doch manchmal muss man seine Perspektiven wechseln. Vom Sofa auf das Fahrrad. Noch kühlt die Nacht, was sich am Tag erhitzte.
Kurz vor dem Odeonsplatz ist meine Fahrt zu Ende. Das Areal um die Feldherrnhalle ist wegen des heutigen Konzertes weiträumig abgesperrt. Ich suche mir einen Weg durch den Hofgarten, doch auch hier gibt es kein Durchkommen. Dafür jede Menge Zaungäste am Wegesrand, Liebespaare auf Grünstreifen, verirrte Radler, die wie ich einen Weg suchen. Am Tor zum Hofgarten Ordner vor den aufgestellten Zäunen, dahinter die Freßmeile für Konzertbesucher entlang der Residenzfassade. Ich versuche, von hinten über den Hof der Residenz zur Theatinerstraße vorzudringen. Auch hier im Durchgang eine Menschentraube. Schließlich stehe ich in der Residenzstraße, Ecke Viscardigasse, am hinteren Bühnenaufgang. Während der Pause tummeln sich die Musiker zwischen Residenzgebäude und Bühne in der Drückebergergasse, halten hie und da Fachgespräche, bis sie von Ordnern zur Bühne gescheucht werden oder lüften einfach nur ihr Instrument.
Es herrscht reges Treiben. So mancher Fußgänger wird umgeleitet. Die blanken Nasen an den Schildern der Wachlöwen zum Brunnenhof ziehen Passanten magnetisch an. Keiner kommt daran vorbei, ohne sie anzufassen und sich Glück zu wünschen. Andere haben sich hier eingefunden, um einige Klänge umsonst zu erhaschen. Von Blüthenzweig bis Krauthuber scheint alles versammelt. Ein dunkelblonder Mann fällt mir im Augenwinkel auf. Er ist jünger als die anderen, hübscher. Ganz in schwarz gekleidet mit einer Sonnenbrille am Hemd lehnt er lässig an der Wand bei den Fahrradständern. Erst halte ich ihn für einen der Musiker, doch als die Musik beginnt, steht er immer noch dort. Ohne Instrument. Während Dvóràk aus der neuen Welt erzählt, streift mein Blick die Fassaden der alten, die im Scheinwerferlicht erstrahlen. Man lauscht gespannt der Musik, hie und da wiegt sich einer zu den Klängen, andere gehen langsam Richtung Absperrung durch die Menge oder lassen sich auf dem Randstein nieder. Alle recken die Köpfe in Richtung Klangquelle, um auch noch leiseste Mittelstimmen zu erahnen. Keiner wagt zu sprechen. Eine seltsame Spannung liegt in der Luft. Neuankömmlinge werden durch strenge Blicke zur Ruhe ermahnt.
Langsam wechselt der Himmel seine Farbe von einem strahlenden in ein dunkles, gedecktes Blau. Meine Augen wandern immer wieder hinüber zu diesem blonden Eusebius, der mit leisem Lächeln regungslos lauscht. Während meine Gedanken wild zwischen Kritik und Konsum, zwischen Hohn und Genuß schanken, mein Körpergewicht unruhig von einem auf den anderen Fuß pendelt, scheint ihn nichts vom Erleben dieses Momentes abzulenken. Erst beneide ich ihn ein wenig, dann beschließe ich, es ihm gleichzutun und in die Atmosphäre einzutauchen. Ich folge den Klängen, die sich über die Umgebung breiten und schließlich im nächtlichen Himmel verlieren. Note um Note, Takt um Takt vergehen und mit ihnen unmerklich die Zeit. Das Ende jedes Satzes registriere ich mit Erstaunen. Nur den letzten Satz - die Coda in überflüssig manifestierender beethovenscher Manier - befinde ich wie eh und je für zu lang. Als der Applaus verebbt, wende ich mich zum Gehen. Noch einmal streife ich den Eusebius mit einem neugierigen Blick. Er hat mich wohl nicht bemerkt. Obwohl sonst nicht auf den Mund gefallen, bin ich zu schüchtern ihn anzusprechen.
Da hebt das Orchester erneut zu spielen an. Musik erfüllt noch einmal die Gassen, ein Walzer von unglaublicher Wehmut zieht über die Köpfe und dreht mein Herz. Das Knistern der Atmosphäre ist jedoch mit dem letzten Applaus verhallt, die Spannung gebrochen. Es ist das melancholische Abschiedslied einer schönen Erinnerung. Vor zehn Jahren hörte ich zuletzt klassische Klänge im Konzertsaal. Die Erinnerung an das, was hätte sein können, rumort an diesem Abend noch lange in meinem Bauch. Als ich heim radle, atme ich tief in meine Lungen. Dieses Gefühl von Traurigkeit und gleichzeitiger Ruhe, von Sehnsucht und Erfüllung strömt mit der Luft durch meinen Körper. Den Augenblick will ich halten, so lange es geht, selbst wenn er mir nur als Erinnerung bleibt. Und München leuchtete.
Dvóràk Slawischer Tanz e-moll op. 72
Kurz vor dem Odeonsplatz ist meine Fahrt zu Ende. Das Areal um die Feldherrnhalle ist wegen des heutigen Konzertes weiträumig abgesperrt. Ich suche mir einen Weg durch den Hofgarten, doch auch hier gibt es kein Durchkommen. Dafür jede Menge Zaungäste am Wegesrand, Liebespaare auf Grünstreifen, verirrte Radler, die wie ich einen Weg suchen. Am Tor zum Hofgarten Ordner vor den aufgestellten Zäunen, dahinter die Freßmeile für Konzertbesucher entlang der Residenzfassade. Ich versuche, von hinten über den Hof der Residenz zur Theatinerstraße vorzudringen. Auch hier im Durchgang eine Menschentraube. Schließlich stehe ich in der Residenzstraße, Ecke Viscardigasse, am hinteren Bühnenaufgang. Während der Pause tummeln sich die Musiker zwischen Residenzgebäude und Bühne in der Drückebergergasse, halten hie und da Fachgespräche, bis sie von Ordnern zur Bühne gescheucht werden oder lüften einfach nur ihr Instrument.
Es herrscht reges Treiben. So mancher Fußgänger wird umgeleitet. Die blanken Nasen an den Schildern der Wachlöwen zum Brunnenhof ziehen Passanten magnetisch an. Keiner kommt daran vorbei, ohne sie anzufassen und sich Glück zu wünschen. Andere haben sich hier eingefunden, um einige Klänge umsonst zu erhaschen. Von Blüthenzweig bis Krauthuber scheint alles versammelt. Ein dunkelblonder Mann fällt mir im Augenwinkel auf. Er ist jünger als die anderen, hübscher. Ganz in schwarz gekleidet mit einer Sonnenbrille am Hemd lehnt er lässig an der Wand bei den Fahrradständern. Erst halte ich ihn für einen der Musiker, doch als die Musik beginnt, steht er immer noch dort. Ohne Instrument. Während Dvóràk aus der neuen Welt erzählt, streift mein Blick die Fassaden der alten, die im Scheinwerferlicht erstrahlen. Man lauscht gespannt der Musik, hie und da wiegt sich einer zu den Klängen, andere gehen langsam Richtung Absperrung durch die Menge oder lassen sich auf dem Randstein nieder. Alle recken die Köpfe in Richtung Klangquelle, um auch noch leiseste Mittelstimmen zu erahnen. Keiner wagt zu sprechen. Eine seltsame Spannung liegt in der Luft. Neuankömmlinge werden durch strenge Blicke zur Ruhe ermahnt.
Langsam wechselt der Himmel seine Farbe von einem strahlenden in ein dunkles, gedecktes Blau. Meine Augen wandern immer wieder hinüber zu diesem blonden Eusebius, der mit leisem Lächeln regungslos lauscht. Während meine Gedanken wild zwischen Kritik und Konsum, zwischen Hohn und Genuß schanken, mein Körpergewicht unruhig von einem auf den anderen Fuß pendelt, scheint ihn nichts vom Erleben dieses Momentes abzulenken. Erst beneide ich ihn ein wenig, dann beschließe ich, es ihm gleichzutun und in die Atmosphäre einzutauchen. Ich folge den Klängen, die sich über die Umgebung breiten und schließlich im nächtlichen Himmel verlieren. Note um Note, Takt um Takt vergehen und mit ihnen unmerklich die Zeit. Das Ende jedes Satzes registriere ich mit Erstaunen. Nur den letzten Satz - die Coda in überflüssig manifestierender beethovenscher Manier - befinde ich wie eh und je für zu lang. Als der Applaus verebbt, wende ich mich zum Gehen. Noch einmal streife ich den Eusebius mit einem neugierigen Blick. Er hat mich wohl nicht bemerkt. Obwohl sonst nicht auf den Mund gefallen, bin ich zu schüchtern ihn anzusprechen.
Da hebt das Orchester erneut zu spielen an. Musik erfüllt noch einmal die Gassen, ein Walzer von unglaublicher Wehmut zieht über die Köpfe und dreht mein Herz. Das Knistern der Atmosphäre ist jedoch mit dem letzten Applaus verhallt, die Spannung gebrochen. Es ist das melancholische Abschiedslied einer schönen Erinnerung. Vor zehn Jahren hörte ich zuletzt klassische Klänge im Konzertsaal. Die Erinnerung an das, was hätte sein können, rumort an diesem Abend noch lange in meinem Bauch. Als ich heim radle, atme ich tief in meine Lungen. Dieses Gefühl von Traurigkeit und gleichzeitiger Ruhe, von Sehnsucht und Erfüllung strömt mit der Luft durch meinen Körper. Den Augenblick will ich halten, so lange es geht, selbst wenn er mir nur als Erinnerung bleibt. Und München leuchtete.
Dvóràk Slawischer Tanz e-moll op. 72
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Freitag, 4. Juli 2008
A room with a view (30)
frau klugscheisser, 18:52h

Knuthausen
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Montag, 30. Juni 2008
Dream on
frau klugscheisser, 19:29h
Aerosmith
Weil zur EM ja jetztdas letzte Wort gesprochen alles gesagt ist, können wir wieder zur Tagesordnung übergehen. Tagesordnung, das heißt mit einer Hand einen Liter Eiscreme in den Mund schaufeln, während die andere eine Maus sinnlos durch das weltweite Netz steuert. Wenn's der Körper halt braucht. In Sichtweite liegen die Trainingsklamotten. Ich versuche krampfhaft nicht in die Richtung zu schauen, weil ich sonst unbewußt den Bauch einziehe. Schon mal nach dem Genuß von einem Liter Eiscreme den Bauch eingezogen? Mir wird jedes Mal übel dabei. Muß psychosomatisch sein.
Morgen geht's wieder los. Koffer packen, ins Auto hieven, zum Flughafen, zwölf Stunden in einer Kunststoffröhre mit geschätzten tausend Menschen dieselbe Luft atmen, die Füße nicht mehr spüren, die Hitze beim Verlassen des künstlich gekühlten dafür umso mehr, um die Funktionstüchtigkeit der Klebebänder in der Strumpfabschlußborte wenigstens bis zum Erreichen des Hotelbusses beten, sich schließlich völlig ferngesteuert durch gleißendes Licht schleppen, während der Körper felsenfest von Nacht überzeugt ist, damit er irgendwann kapituliert, wenn's dort dunkel wird, sich vor dem Einschlafen eine Notiz auf den Nachttisch legen, wie man heißt, wo man sich befindet und warum, falls man einmal mehr orientierungslos aufwacht.
Ich mag meinen Job. Echt jetzt. Auf den Rückflug freue ich mich beispielsweise immer wie ein kleines Kind. Nur die Vorbereitung schiebe ich heute den ganzen Tag schon vor mir her. Sechs Fragen zum Notfall soll ich mir ausdenken, die ich morgen den Kollegen im Briefing stelle. Sechs lächerliche Fragen, über die ich den ganzen Tag schon nachdenke. Sind sie zu schwer, will anschließend keiner mehr mit mir reden. Sind sie zu leicht, gibt's keinen Lerneffekt. Jeder Lehrer kann meinen Gewissenskonflikt nachfühlen. Dabei wollte ich so nie werden. Oberlehrerhaft und dick. Mein Koffer liegt ebenfalls noch so da, wie ich ihn nach der Rückkehr aus Chicago hinterließ. Die Trainingsklamotten ganz obenauf.
Ich sollte wirklich vernünftiger essen. Und wenn ich zurückkomme, wird endlich geputzt. Der ganze Ruß und Blütenstaub an den Fenstern muss jetzt langsam mal weg, die Böden kann ich auch mal wieder naß wischen und die Küchenablage klebt schon seit einer Woche. Ob wohl noch ein kleines Stück Schokolade da ist?
Weil zur EM ja jetzt
Morgen geht's wieder los. Koffer packen, ins Auto hieven, zum Flughafen, zwölf Stunden in einer Kunststoffröhre mit geschätzten tausend Menschen dieselbe Luft atmen, die Füße nicht mehr spüren, die Hitze beim Verlassen des künstlich gekühlten dafür umso mehr, um die Funktionstüchtigkeit der Klebebänder in der Strumpfabschlußborte wenigstens bis zum Erreichen des Hotelbusses beten, sich schließlich völlig ferngesteuert durch gleißendes Licht schleppen, während der Körper felsenfest von Nacht überzeugt ist, damit er irgendwann kapituliert, wenn's dort dunkel wird, sich vor dem Einschlafen eine Notiz auf den Nachttisch legen, wie man heißt, wo man sich befindet und warum, falls man einmal mehr orientierungslos aufwacht.
Ich mag meinen Job. Echt jetzt. Auf den Rückflug freue ich mich beispielsweise immer wie ein kleines Kind. Nur die Vorbereitung schiebe ich heute den ganzen Tag schon vor mir her. Sechs Fragen zum Notfall soll ich mir ausdenken, die ich morgen den Kollegen im Briefing stelle. Sechs lächerliche Fragen, über die ich den ganzen Tag schon nachdenke. Sind sie zu schwer, will anschließend keiner mehr mit mir reden. Sind sie zu leicht, gibt's keinen Lerneffekt. Jeder Lehrer kann meinen Gewissenskonflikt nachfühlen. Dabei wollte ich so nie werden. Oberlehrerhaft und dick. Mein Koffer liegt ebenfalls noch so da, wie ich ihn nach der Rückkehr aus Chicago hinterließ. Die Trainingsklamotten ganz obenauf.
Ich sollte wirklich vernünftiger essen. Und wenn ich zurückkomme, wird endlich geputzt. Der ganze Ruß und Blütenstaub an den Fenstern muss jetzt langsam mal weg, die Böden kann ich auch mal wieder naß wischen und die Küchenablage klebt schon seit einer Woche. Ob wohl noch ein kleines Stück Schokolade da ist?
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