Sonntag, 3. Dezember 2006
Wenn du schmollst und traurig bist
Wenn sich deine Pupillen in der Dunkelheit verengen, weil du in einen kleinen Lichtstrahl blickst.
Wenn du auf Fahrtwind hoffst und dein Boot vom Gegenwind in die falsche Richtung geschoben wird.
Wenn deine Ohren vom Motorenlärm taub sind und du die leisen Stimmen nicht mehr hörst.
Wenn deine Hände statt an das rettende Tau ins Leere greifen.
Wenn die Strudel im Kopf nach unten ziehen und du vom Strampeln müde geworden bist.
Wenn du den Duft des Lebens nicht mehr wahrnimmst, weil deine Nase tief in der Scheiße steckt.
Wenn du den Mund offnest, um nach Hilfe zu rufen und deine Stimme versagt.
Wenn du die Steinschleuder nicht mehr findest, die die einzige Chance gegen Goliath bedeutet.
Wenn auf dem Weg keine Abzweigung mehr eine Wahlmöglichkeit lässt.

Was ist dann? Ich weiß es nicht. Ich kann dir nicht sagen, was du tun sollst. Ich kann dir keine neuen Wege eröffnen, noch die Steine aufsammeln. Ich kann dich nicht zwingen, deine Augen auf die guten Dinge zu richten. Ich kann dir keine Hoffnung geben. Ich kann die Reise nicht für dich antreten. Alles was ich kann, ist dir sagen, dass es immer weitergeht, jedoch nicht wie, nicht ob gut oder schlecht. Das ist die Grausamkeit des Lebens, dass jeder von uns sich dieser Zufälligkeit alleine stellen muss. Nur denke daran, welcher Stolz dich erfüllt, wenn du es ganz alleine geschafft hast. Jeden einzelnen Tag. Immer und immer wieder.

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Sehr schöner Text.
Und manchmal helfen genau diese Worte dem Ertrinkenden.
Dieses "Du schaffst das! Nicht aufgeben."
Manchmal braucht es genau das...und derjenige findet ans Ufer.

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Ja, genauso ist das Leben. Und du hast recht, es geht immer weiter.

Ich stelle mir vor, daß es am schlimmsten sein muß, alleine zu ertrinken. Da sein ist eine große Hilfe, auch wenn du selbst nicht schwimmen kannst und Gefahr läufst, dabei mit in den Strudel zu geraten.

Manchmal bedeutet der Tod wirklich eine Erlösung, aber löse deine gereichte Hand erst, wenn du wirklich sicher bist, daß es keinen Sinn mehr macht.

Auch Gefühle und Blicke verleihen Halt, mehr sogar als Worte.

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Die letzten Wochen
Ich möchte eine kleine Geschichte erzählen, die mir in der letzten Woche widerfahren ist:

Die letzten Wochen waren extrem hart für mich. Ich habe mich innerlich so sehr gegen das Fliegen gesträubt, dass es mir schwer fiel, Koffer zu packen und raus zu gehen. Dennoch verbietet mir mein Pflichtbewußtsein, einfach davor zu kneifen. Zuhause hätte ich mich eh nur eingegraben, mit niemandem gesprochen und an mir gezweifelt.

Beide Touren waren sehr anstrengend, viele Flugstunden und viel Verspätungen wegen Nebel etc. Das bedeutet automatisch auf jedem Flug verärgerte Passagiere, genervte Cockpitkollegen und eine ständige Hetze der verlorenen Zeit hinterher. Manchmal bleibt an so einem Tag nicht einmal Zeit, sich während der 12 Stunden hinzusetzen. Im Hotel dann Minimumruhezeit, die man nur noch schlafend verbringt und sich fragt, warum man eigentlich im Koffer mehr Klamotten hat als nur den Schlafanzug. Dann ein medizinischer Notfall, was für die ganze Crew eine enorme zusätzliche Belastung bedeutet, psychisch wie physisch.
Einer meiner Kollegen, mit dem ich vier Tage unterwegs war, erzählte mir seine Geschichte. Er hat seine Frau vor einem Jahr verloren. Morgens brachte sie ihn noch zum Flughafen, abends fand er sie erhängt im Heizungskeller. Er war ein Jahr lang den Vorwürfen der Verwandtschaft ausgesetzt, da sie keinen Abschiedsbrief hinterlassen hat und er dies nicht kommen sah. Ich war sehr betroffen von dieser Geschichte und konnte so Verständnis für ihn aufbringen. Nur ich selbst bin nicht in der Lage zuzugeben, wenn es mir nicht gut geht. Mein Anspruch ist, als Führungskraft andere zu motivieren und nicht mit meinen eigenen Sorgen zu belasten. Natürlich merken auch die anderen, wie angespannt ich bin. Kurz vor Ende der Tour entbrannte aus Kleinigkeiten ein Konflikt zwischen mir und dem Cockpit. Wir saßen im Bus zum Einsatzzentrum, ich unterhielt mich mit der Kollegin und wusste nicht, wie es jetzt für mich weitergeht. Wird mich der Kapitän absetzen? Wird mein Verhalten Folgen haben? Da zog die Kollegin, mit der ich auf der ganzen Tour am wenigsten gesprochen habe, ein kleines Geschenk für mich aus ihrer Tasche. In diesem Moment konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. So ist das mit den kleinen Gesten.

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Ja, das verstehe ich gut, auch wenn ich dich für eine starke Frau halte. Aber du hast allerhand mitgemacht in letzter Zeit, wie ich las.

Dann ziehe ich es vor, zu schweigen. Frei nach FN "Wo alle Worte zu wenig wären, ist jedes Wort zu viel."

Das Teelicht vor meinem Buddha brennt auch für dich.

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Das ist ganz lieb von Dir, Opa.

Hoffentlich ist es kein Teelicht vom Schlecker ;o)

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Keinen Abschiedsbrief? Das ist gemein, offene Fragen zurückzulassen. Oft genug kam es mir selbst wie ein sinnentleertes Mantra vor, dieses "Immer weitermachen". aber das ist ja auch der Sinn des Mantras, erst einmal sinnentleert zu sein. Meinetwegen eine mechanische Reizformel, ein verbales Haltegerüst.

(Übrigens hatte wir heute alle eine miese Laune. Die einen wegen Vollmond und Schlafmangel, die anderen wegen Arbeitsüberlastung wegen Weihnachtsproduktion, ist derzeit für viele kein leichter Gang.)

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Das Leben ist eine Achterbahn. Und man muss sich festhalten, um nicht rausgeschleudert zu werden. Anhalten kann man selber nicht. Nur brutal rausspringen, ohne Rücksicht auf Nahestehende.

Aber zwischendrin gibt es immer wieder gerade, ruhige Abschnitte. Und die sollte man nicht aus den Augen verlieren.

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"Jeden einzelnen Tag. Immer und immer wieder." Genau, liebe Klugscheisserin. Ganz genau das. Immer und immer wieder.

Danke für fünf Minuten Stillsein nach einem durchgehechelten Tag, auch wenn die Geschichte eher schwer ist anstatt leicht.

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