Sonntag, 24. April 2022
The Twenty First Night of September


Am Denkmal für die Verstorbenen des Oktoberfestattentats von 1980 bin ich heute vorbeigelaufen. Obwohl ich damals noch ein Kind war, erinnere ich mich sehr genau. Ich wusste, dass mein Vater an diesem Tag ebenfalls auf dem Oktoberfest war. Ich hörte von der Bombe. Ich hörte im Radio, dass da ein paar Menschen tot waren. Und ich hoffte so sehr, dass mein Vater einer davon sei. Drei Jahre später hatte ich zwei Schwestern mehr. Es ist nicht alles schlecht.

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Samstag, 11. September 2021
Try To Remember...


... that kind of September

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Montag, 25. Mai 2020
Memories
Durch den Film gestern, musste ich ein bisschen darüber nachdenken, woher die positive Assoziation der Callas mit meiner Mutter kommt. Offensichtlich ist die Verbindung der Zeitdokumente mit alten Familienaufnahmen.



Auf dem Bild ist meine Mutter etwa 13 oder 14 Jahre alt. Daneben steht ihre Patin im adretten Kostüm der 50er. Diese Mode fand ich immer schon faszinierend - so elegant und auf Linie geschnitten aber selbstredend unbequem und deswegen nur zu Repräsentationszwecken geeignet.

Einige Jahre später begann meine Mutter beim Ministerium für Kultur und Sport in München zu arbeiten. Dadurch hatte sie Zugang zu günstigen Opern- und Theatereintrittskarten. Obwohl sie nie ein Instrument erlernte - abgesehen von einer kleinen Episode, in der ich ihr das Blockflötenspiel beizubringen entschlossen war, wir aber nach einer Weile das Unternehmen zu Gunsten des Familienfriedens wieder begruben - und auch sonst durch eher mittelständisch handwerklichen Hintergrund wenig künstlerisch-literarisch beeinflusst war, liebte sie die Oper. Man muss sich das bildhaft vorstellen. Damals war der Besuch einer Opernaufführung ein aussergewöhnliches Ereignis, das mit Glanz und vor allem Wohlhabenheit verbunden war. Die Bayrische Staatsoper mit den Kronleuchtern im Eingangsbereich, die Königsloge, die Abendroben und Fracke, das alles war so prunkvoll und nobel wie heute die Oscars. Die durchschnittliche Bevölkerung staunt nur aus der Ferne.


Meine Mutter besaß ein kleines Opernglas, das am Rand mit Perlmut besetzt war. Wann immer ich durfte, nahm ich es aus dem schwarzen Etui und hielt es mir vor die Augen. Gesehen habe ich damit nicht unbedingt besser, mit der nötigen Eleganz gehalten wirkte es aber sehr professionell. Und dann war da noch dieser Karton mit den Libretti. Heutzutage werden in der Oper bei Originalaufführungen - und das ist inzwischen Usus - englische oder deutsche Untertitel an den oberen Rand der Bühne projiziert, doch früher musste man die Texte kennen, um in den vollen Genuss der Handlung zu kommen. Folglich kaufte man sich vor einem Opernbesuch das Libretto, um es zu studieren und sich so für den musikalischen Genuss vorzubereiten. Besonders angetan hatte es mir Carmen. Nein, ich las sie nicht, ich lebte sie. Die beginnende Pubertät tat das Ihrige. im Badezimmer beschwor ich fortan durch mittelmäßigen Gesang, der sich aber in den Räumlichkeiten sehr imposant anhörte, den rebellischen Vogel der Liebe. Alles an diesen Büchlein, dem Opernglas und den Erzählungen schien so glanzvoll und dennoch aus einer sehr fernen Zeit.


Ich weiß nicht, ob es die Carmen war aber in einer der großen Rollen hat meine Mutter die Callas erlebt. Es war ein großes Glück, denn zu dieser Zeit war sie bereits berühmt-berüchtigt, weil sie so viele Vorstellungen absagte. Manchmal sang sie den ersten Akt, dann sprang eine Zweitbesetzung ein. Irgendwann gab sie bekanntermaßen nur noch konzertante Aufführungen. Sie zu erleben muss ein prägnantes Erlebnis gewesen sein. Den Ausdruck nicht nur auf der gesanlich musikalischen Ebene, sondern auch auf die menschlich schauspielerische zu heben, Bühnenpräsenz auszustrahlen, was sie vollbrachte war innovativ. Auch mein späterer Professor berichtete von einer zufälligen Begegnung in einem Tonstudio mit ihr, doch in meinem Kopf verbindet sich die Callas immer mit meiner Mutter, mit Prunk und Anmut und mit ein bisschen Modergeruch aus der alten Librettikiste.

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Montag, 29. Juli 2019
Past Lives

Was Sie hier sehen, sind meine 15 meistgelesenen Blogbeiträge. Die Reihenfolge hat sich über die Jahre nicht großartig geändert. Und weil ich mich kaum noch erinnern kann, habe ich die mal alle nachgelesen.
Ich muss sagen, viele davon gefallen mir außerordentlich gut. Manches liest sich heute für mich befremdlich - vor allem meine Freischnautzeformuliererei - aber nie langweilig. Ganz kurz habe ich überlegt, ob ich das alles wirklich alleine geschrieben habe. Durch scheinbar fremde Augen gelesen. Um's kurz zu machen: ja habe ich. Jedoch bezweifle ich, jemals wieder so schreiben zu können, so unverblümt und doch wohlgesetzt. Deswegen habe ich gleich mal bei den folgenden 10 Beiträgen weitergelesen.


Ich weiß, die Lesezahlen setzen sich auch aus den jeweiligen Kommentaren zusammen, d.h. ein Text ist nicht so oft gelesen worden, sondern viele Kommentare haben die Zahl moderiert. Ach ja, die Kommentare! Die kleinen Diskurse vermisse ich schon ein bisschen. Andererseits, so hohe Zahlen sind es auch wieder nicht, jedenfalls nicht mit bekannteren Blogs zu vergleichen. Favoriten habe ich keine aber manches liest sich wie aus einem anderen Leben. Interessant wäre es, von richtigen Buchautoren oder professionell Schreibenden zu hören, wie die mit ihren weit zurückliegenden Texten umgehen. Sind die im Rückblick ein bisschen stolz darauf? Bedauern sie das ein oder andere Werk, den veröffentlichten Text? Oder sehen sie es als ein Zeitdokument?

Ich weiß, Sie wollen hier wieder was über Fliegen lesen. Suchen Sie sich einen Text aus den obigen 25 aus, da ist der ein oder andere aus dem Themenbereich dabei.

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Montag, 29. August 2011
Childhood
Have you seen my Childhood?
I'm searching for that wonder in my youth
Like pirates in adventurous dreams,
Of conquest and kings on the throne...

Before you judge me, try hard to love me,
Look within your heart then ask,
Have you seen my Childhood?

People say I'm strange that way
'Cause I love such elementary things,
It's been my fate to compensate,
for the Childhood I've never known...





Die verlorene Kindheit. So sind vor allem Texte überschrieben, die sich mit Kindesmissbrauch oder äusseren Gegebenheiten auseinandersetzen, die auf Kinderseelen traumatisierend einwirken. Kann eine Kindheit wirklich verloren sein und wenn ja, müsste es dann nicht auch eine verlorene Jugend, eine verlorene Fruchtbarkeitszeit und einen verlorenen Lebensabend geben? Wird die Wichtigkeit der Kindheit denn nicht auch künstlich überhöht?

Abgesehen von einer implizierten Tragik des Titels sind Attribute der Kindheit jederzeit nachholbar. Ich kann auch mit 30 phantasieren, mit 40 ausgelassen albern sein und mit 50 Knetfiguren anfertigen. Wieso sollte ich mich in eine Alter zurücksehnen, in dem ich der Willkür anderer ausgesetzt und eigenen Unzulänglichkeiten unterworfen war? Auf einem anderen Blatt steht natürlich die Tatsache, dass schlimme Erlebnisse unabhängig vom Alter immer das bleiben, was sie sind: furchteinflößend und traumatisierend.

Eine andere Frage lautet: gibt es denn überhaupt so etwas wie Die Kindheit an sich oder ist sie vielmehr ein ideeller Platzhalter aus Reminiszenzen der romantischen Verklärung? Gibt es denn noch Kinder, die ohne Leistungsdruck und Erwartungserfüllung aufwachsen? Gab es sie denn jemals, wenn wir politische Verhältnisse der Vergangenheit wie beispielsweise Krieg und Vertreibung, soziale Verhältnisse und gesellschaftliche Entwicklungen berücksichtigen? Gab es denn je ein Kind, das in idealen Kindheitsverhältnissen groß geworden ist?

Vielleicht gibt es Annäherungswerte. Dennoch behaupte ich, dass auch diesen Kindern genügend Quellen für Defizite offen stehen. Strenge Lehrer, hänselnde Spielkameraden, körperliche Benachteiligung. Jedenfalls kenne ich keinen, der nicht seiner Kindheit auf die ein oder andere Weise hinterhertrauert, sei sie nun als besonders schwierig oder besonders schön empfunden. Verloren ist sie ohnehin, wie alles im Zuge der Vergänglichkeit verliert. Im Grunde geht es nur darum, welche Spuren die Erinnerung in uns hinterlässt. Und dafür sind wir selbst verantwortlich.

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Freitag, 5. Oktober 2007
October
Es ist wieder Herbst in Deutschland. Vor dreissig Jahren gab es ebenfalls einen Herbst in Deutschland, der es nicht nur wettermäßig in sich hatte. Das Thema RAF spukt wieder durch die Medien und auch auf Mindestenshaltbar ranken sich die Geschichten um damals.

Mein Beitrag ist das Ergebnis einer langjährigen Auseinandersetzung mit der damaligen Flugzeugentführung. Das Thema lag und liegt mir sehr am Herzen. Aber bitte, lesen Sie selbst:

Landshut liegt in Afrika

Nachtrag: weitere Einblicke in den Kommentaren.

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Samstag, 9. Juni 2007
Movie star (oder die prominenten Liebschaften der Frau K.) 2
Während Christopher seinen Führerschein bestand und mich gelegentlich mit dem alten VW Käfer in die angesagten Läden der nahegelegenen Stadt entführte, blieb ich dem Tanztee treu. Dort traf ich Tom Cruise (zumindest die Nase, sowie die markanten Kieferknochen passen perfekt). Tom war ein hervorragender Tänzer und verfügte über die Goldstar Zulassung, worauf ich in Windeseile meine Fähigkeiten mit seiner Hilfe aufbesserte. Nur erwischen durften wir uns nicht lassen, denn ich hatte in der örtlichen Tanzschule nur für die Grundkenntnisse bezahlt. Er wohnte einige Ortschaften entfernt im Erdgeschoß seines Elternhauses, und jedes Mal wenn ich ihn besuchte, widmete sich seine Mutter ausgiebiger Gartenarbeit. Am Ende des Jahres war der Garten zumindest vor dem Fenster tiptop in Schuß.

Im Sommer folgte die erste örtliche Trennung. Tom verbrachte die Ferien mit Familie auf einem jugoslawischen FKK-Campingplatz und schrieb fast jeden Tag leidenschaftliche Briefe. In einem davon beschrieb er sehr plastisch die durch Sonneneinstrahlung hervorgerufenen Verbrennungen an einem Körperteil, das für gewöhnlich der Sonne nur selten ausgesetzt wird. Mein Mitleid hielt sich in Grenzen, denn die Notwendigkeit, sich ständig all seiner Kleidung zu entledigen konnte ich nur schwer nachvollziehen. Der Umstand hatte außerdem keine direkte Auswirkung auf unser Zusammensein, da ich mich immer noch der letzten Konsequenz entzog.

Als Tom mich zur Entschädigung für die getrennte Zeit eine Woche zu Verwandten begleitete, war das Drama perfekt. Unsere Schlafgelegenheiten waren sicherheitshalber auf unterschiedlichen Stockwerken angelegt. Eines Nachts schlich ich mich leise zu ihm ins obere Stockwerk, doch als ich oben angekommen war, vernahm ich unten Geräusche und glaubte, entdeckt worden zu sein. Folglich ging ich wieder hinunter, nicht ohne die Türe hörbar zu schließen. Es folgte eine Standpauke, in denen die Worte Moral und Sittsamkeit des Öfteren fielen. Man hatte nicht meine Abwesenheit, wohl aber meine Rückkehr wahrgenommen und war sich nicht sicher, was da 'unter unserem Dach' von statten ging. Erst meine Notlüge, den 'Arzt von Stalingrad' dort geholt zu haben, stieß auf ein wenig Verständnis. Das Buch sei schließlich gut für meine Bildung und spannend allemal. Wenn ich mich recht entsinne, habe ich es nie wirklich gelesen.

Nach einem gemeinsamen Winterurlaub beendete Tom sehr theatralisch und zudem schriftlich unsere Beziehung. Nach abgeschlossener Banklehre heiratete er seine ehemalige Tanzpartnerin. Mir blieb Konsalik und die Überzeugung, dass ein gepflegter Garten manchmal mehr wert ist als alle fleischlichen Gelüste.

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Samstag, 2. Juni 2007
Movie star (oder die prominenten Liebschaften der Frau K.) 1
Auf speziellen Wunsch von Gaga

Im Alter erinnert man sich bekanntlich besser an längst vergangene Begebenheiten als an jüngste Ereignisse. Werde ich nach meinem ersten Freund gefragt, muss ich nicht lange nachdenken: er war schon 17, erschien mir deshalb unheimlich erwachsen und erinnerte mich damals ganz stark an Christopher Lambert, den attraktivsten Tarzan der Filmgeschichte (zumindest die Augen- und Mundpartie, sowie die Charakternase sind fast identisch). Die Affäre dauerte nur drei Monate, doch über die Jahre sind wir Freunde geblieben.

Angefangen hat alles im Dschungel pubertärer Gefühlsschwankungen, dem sogenannten Tanztee, zu dem mich meine beste Freundin mitschleppte. Sie war sehr von ihm angetan, weshalb er zwischen uns zum Dauergesprächsthema wurde. Jede Bewegung wurde ausgiebig studiert und analysiert, jeder Blick auf etwaige Neigungen interpretiert. Er trug weiße Schuhe, eine weiße Hose und ein rosa Polohemd mit einem kleinen aufgestickten Krokodil, typisch 80er. Der Höhepunkt jedes Abends war die Stehbluesrunde, zu der er ein Mädchen auffordern würde. Als er sich in unsere Richtung bewegte, schlugen unsere Herzen bis zum Hals. Das Drama war perfekt, als er nicht meine Freundin, sondern mich aufforderte und ich ihm auf die Tanzfläche folgte. Ich erinnere mich genau, wie sich sein Körper anfühlte. Er roch nach Armani, ein Duft, den ich bis heute mit seiner Person verbinde. Zwischen unsere Wangen passte nicht einmal mehr ein Blatt Papier, während ich stets darauf achtete, dass zwischen unseren Körpern unterhalb der Gürtellinie wenigstens ab und zu Luftbewegung stattfinden konnte, schließlich wollte ich ihm als wohlerzogenes Mädchen keine falschen Hoffnungen machen, denn die Hoffnung regte sich bereits nach wenigen Minuten spürbar zwischen seinen Beinen.

Auch im weiteren Verlauf unseres Beisammenseins sorgte ich stets für gebührenden Abstand. Als er langsam begriff, dass wildes Knutschen und Fummeleien, bei denen ich seine Hände unter Kontrolle zu halten verstand, das Ende der Fahnenstange waren, löste er die Verbindung in einseitigem Einvernehmen. Der überhöhte Hormonpegel war nicht der einzige Unterschied zwischen uns. Sein Bestreben ging dahin, in nicht allzu ferner Zukunft möglichst viel Geld zu verdienen, um den gehobenen Lebensstandard fortzusetzen, den er von zu Hause gewohnt war. Er studierte BWL und ist inzwischen erfolgreicher Kleinunternehmer mit vierköpfiger Familie. Was Tarzan in seinen kühnsten Träumen nicht für möglich gehalten hätte, wurde für Christopher zur Wirklichkeit. Nur die wilde Leidenschaft, die hat er mit den Jahren leider verloren.

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