Samstag, 24. Juni 2006
In the middle of nowhere
Schefferville ist ein kleiner gemütlicher Ort in Labrador, Neufundland. Viel ist da nicht los. Es gibt zwar einige Kneipen, ein paar Läden und einen Bahnhof aber am Abend werden die Bürgersteige hochgeklappt. Man kehrt müde von der täglichen Karibujagd zurück und will im Grunde lieber gemütlich vor dem Kaminfeuer einen letzten Whiskey genießen, als zu wilder Musik abtanzen. Im Sommer sieht man viele Mücken, im Winter einen Haufen Schnee. Die wichtigste Einrichtung Scheffervilles ist ein Flughafen. Man mag es kaum glauben aber es ist möglich, ein Flugticket nach Schefferville zu erwerben.

Es könnte allerdings auch sein, dass man diesen idyllischen Ort eher unfreiwillig aufsucht, dann nämlich, wenn der Pilot eines Großraumflugzeuges durch einen medizinischen oder technischen Notfall zu landen gezwungen ist. Immerhin hat man dann Glück, denn in Schefferville kann man shoppen oder wenigstens eine gemütliche Schlafstätte finden. Auf der Nordatlantikroute gibt es Orte, die so ungastlich zu sein scheinen, dass da nicht mal ein Hund tot überm Zaun hängen möchte. Da möchte ein Pilot auch nur ungern landen, nicht weil er die Annehmlichkeiten eines Vier-Sterne-Hotels nicht missen möchte, sondern weil er seinen Riesenbrummer nicht mehr ohne weiteres hochkriegt. So was verhagelt einem 340 Kapitän gehörig die Suppe, schließlich will er unbedingt im Anschluss den langen Bangkokumlauf antreten, den er requestet hat. Die Crew kommt ebenfalls ganz schlecht drauf, setzt man sie im Nirgendwo aus. Für Kabinenpersonal gehört zu einem ordentlichen Layover wenn schon kein Pool, so doch wenigstens die Möglichkeit einer gepflegten Massage oder Maniküre. Das ist das Mindeste, was man von einem ordentlichen Layover erwarten kann. Unschwer vorzustellen, dass auch bei Passagieren keine Urlaubsstimmung so richtig aufkommen mag.

Von diesen kleinen Orten gibt es unzählige. Ihre Erwähnung in der Literatur beschränkt sich auf Einträge der Kartographie und kleinen Punkten von Flugkarten, auf denen die Orte mit Zahlen versehen und durch Linien verbunden sind. Solche Flugkarten erinnern mich stark an die Burda Schnittmuster meiner Mutter. Eine Lieblingsbeschäftigung der Piloten scheint zu sein, bestimmte Linien mit Leuchtstiften nachzuzeichnen und so entstehende Figuren herauszuarbeiten. Anschließend könnte man abgetrennte Felder je nach Zahl mit gleicher Farbe ausfüllen. Ein derart beschäftigter Pilot müsste wenigstens nicht alle zwei Stunden von der Kabine gefüttert werden, doch spart die Firma mit verfügbaren Farben und somit mal wieder am falschen Ort.

Kommen wir zurück zum Nirgendwo. Hätten Sie gedacht, dass an der Westküste Grönlands unzählige kleine Punkte kartographiert sind, die bequem sowohl angeflogen als auch wieder verlassen werden können, in einem riesigen Land wie Neufundland allerdings nur Placebopunkte eingetragen sind? Eine dortige Notlandung wäre nur von Vorteil, müsste man aufgrund eines Feuers an Bord oder sonstiger lebensbedrohlicher Vorkommnisse das Flugzeug verlassen. Sollten Sie einmal in den Genuss kommen, diese Gegenden überraschend zu besuchen (sie sind z.B. Raucher und frönen Ihrem Laster auf Flugzeugtoiletten?), mag das zunächst unangenehm sein. Tröstend kann ich hinzufügen, dass ich viel davon beim Überfliegen gesehen habe. Es existieren dort zwar keine Siedlungen aber landschaftlich ist es sehr schön.

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