Donnerstag, 7. November 2019
Coming Home VII
Der Countdown läuft. Dieses Blog gäbe es nicht ohne die, die es lesen und sich manches Mal auch dazu äussern. Im Zuge der 5000 schreibe ich über meine Gäste, die hier über die Jahre kommentierten oder es immer noch tun. Die bisherigen Beiträge 1, 2, 3, 4 und 5 sind hinter den Zahlen zu finden.

Meine Personenbeschreibungen sind subjektiv, unvollständig und unwissenschaftlich, quasi homöopathisch aber auch in hoher Dosierung wohlwollend.

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Wer kennt sie nicht, die zahllosen Blogs, die sich jammernd um sich selbst drehen. Egal ob Depression, Pubertät oder Herzleid, alles wird heutzutage öffentlich zur Schau gestellt. Man möchte ein wenig Mitleid, ein wenig Zuspruch und hofft insgeheim, es würde so leichter zu ertragen sein. Die Versuchung ist groß, in den Sumpf des Selbstmitleids abzugleiten, wäre da nicht insgeheim ein stiller Auftrag - der Auftrag, mit dem Geschriebenen wenigstens ein bisschen zu unterhalten. Die Situation macht es nicht besser aber manchmal führt es dazu, über sich selbst lachen zu können.

Als ich auf Frau Herzbruch stieß, fand ich genau das. Jemand, der das Beste aus einer vertrackten Situation macht und dabei über sich lachen kann. Damals wohnte sie in Holland, der Beebie aka Erbse aka Ona war noch nicht auf der Welt und der Mops lebte noch. Die akademische Karriere sah zwar vielversprechend aus, dümpelte aber gleichzeitig im Watt des Instituts vor sich hin. Sie schrieb über kleine und große Katastrophen, über Schuhe und Schwangerschaft, und das immer mit großem Unterhaltungswert. Der Mann lungerte irgendwo im Hintergrund und es war nicht klar, ob er an Relevanz gewinnen oder sich zur Karriere ins Watt gesellen würde.

Ich weiß nicht mehr, auf welchen Wegen ich über ihr Blog gestolpert war. Jedenfalls war sie im Januar 2008 das erste Mal auf blogger.de, kurz darauf schwanger und später danach in Deutschland. Ich habe gerade nachgesehen, kommentiert hatte ich das erste Mal im Juni 2008. Wir waren damals im Grunde nur zwei (Carschti and me) und paar zufällig über die Homepage angespülte. Ihren Stil mochte ich sofort. Keine Wehleidigkeit, sondern prägnante kurze Sätze, immer auf den Punkt. Eine Beschreibung, wieso man bei sichtbarer Schwangerschaft und Übelkeit keinen Johannisbeersaft trinken sollte, will man kotzend vor dem Supermarkt keine bösen Passantenblicke ernten - so von wegen unverantwortlich, in der Schwangerschaft trinken - oder darüber, wie der Einbruch des Mannes über das Dach wegen verlorenem Schlüssel schief ging. Ganz großes Kino, nur halt selbst erlebtes.

Nach Geburt vom Beebie und Niederlassung im Ruhrgebiet dann der erste richtige Besuch. Es sollte nicht der letzte gewesen sein, denn schnell stellte sich heraus, dass Frau Herzbruch genauso redet wie sie schreibt. Insofern war ihr Blog eigentlich ein Vorläufer von Whatsapp, denn man will die Freunde auf dem Laufenden halten. Freunde hatte ihr Blog damals plötzlich viele. Frau Herzbruch interagierte in den Kommentierenden und konnte alles irgendwie humorvoll formulieren. Bei einem späteren Besuch im Oktober war sie entsetzt über die Tatsache, dass wir nichts an Bord zu essen kriegen und kredenzte spontan ein Weihnachtsessen mit Gans und Knödeln. Die weitere Familie war ebenfalls anwesend, man hatte mich sozusagen kurzerhand adoptiert. An diesem Abend wurde viel über die Geschichte der Gans mit den Hämatomen vom misslungenen Abschuss gelacht, Ona war sehr aus dem Häuschen über seine neuen Spielzeuge und der Mann inzwischen institutionalisiert.

Irgendwann brach ihr Blog ab, das Kommentieren beschränkte sich auf wenige Gelegenheiten und dann war sie ganz aus der Onlinewelt verschwunden. Ich bedauerte das sehr aber was will man machen. Die neue Karriere, das neue Haus und alles andere sowieso brauchten eben viel mehr Zeit. Ganz nebenbei dann Promotion, Heirat und ein neuer Hund. Das Kind blieb pflegeleicht, der Mann - abgesehen von einigen handwerklichen und Urlaubs-Katastrophen - ebenso. Kürzlich hatte ich wieder schriftlichen Kontakt, es stellt sich jedoch als schwierig dar, den aufrechtzuerhalten. Sie wissen schon, Haus, Kind, Mann, Job, Hund und ein paar neue Katastrophen. Wäre nicht Dr. Herzbruch, wenn's glatt laufen würde. Aber das wird sie vielleicht irgendwann ein andermal woanders erzählen.

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Mittwoch, 6. November 2019
Gift for a Friend
Ein Bekannter fragte mich, was er als Adventskalender für seine Freundin machen könne und meine Idee waren Streichholzschachteln, in die er für jeden Tag eine kleine Botschaft stecken könnte. Weil ich momentan mehr Zeit habe als mir lieb ist und oft über's Ziel hinausschieße, habe ich ein wenig zu basteln begonnen. Die Rede war nämlich davon, ob ich da ein wenig helfen könne. Also besorgte ich heute Material und setzte mich an die Umsetzung. Ihm wurde jedoch klar, dass er das wohl selbst machen müsse, weswegen mein Kalender jetzt für eine Freundin vorbereitet wird.

Eigentlich ist Basteln überhaupt nicht mein Ding. Ich hasse Klebstoff an den Fingern und gefrickel beim Zuschneiden von Papier, das am Ende doch nicht exakt gerade wird. Natürlich bleibt der Sekundenkleber nie dort, wo man ihn aufgetragen hat und trocknet - wie der Name schon sagt - in Sekunden an den falschen Stellen. Doch fand ich noch beidseitig haftende Fotokleber in der Schublade, die mir die Aufgabe etwas erleichterten.




Die Schachteln fädle ich auf einen Sternendraht, der dann an beiden Enden aufgehängt werden kann. Sie werden natürlich noch beschriftet und gefüllt. Kleine Botschaften oder ein Teelicht, ein Gummibärchen oder eine Schokolade, die Möglichkeiten sind vielfältig. Gut ist, dass das Werk nachhaltig ist und jedes Jahr auf's Neue benutzt werden kann. Das fertige Ergebnis werde ich selbstverständlich bildlich nachreichen. Für heute ist mein Werk erst mal getan. Und für die Unmengen an Streichhölzern finde ich sicher auch noch Verwendung. Vielleicht was basteln?

Nachtrag: Fertig!

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Dienstag, 5. November 2019
Walk Away
Es ist alles ein bisschen vertrackt. Ich bin müde, sehr müde und kann gleichzeitig nicht schlafen, weil alles in meinem Kopf sehr schnell läuft. Termine koordinieren, abgleichen, recherchieren, entscheiden, neu sortieren. Früher hätte ich ungeachtet der Tageszeit einfach die Schuhe angezogen und wäre losgelaufen - ohne Ziel, ohne Richtung, einfach laufen, wohin die Füße tragen. Heute tragen die Füße aber nicht mehr richtig. Manchmal knicke ich weg, wenn ich zu schnell aufstehe, meistens sind Schritte mit kurzen, scharfen Stichen verbunden, die ich gerne vermeiden möchte, indem ich das Bein anders belaste. Das geht schon eine ganze Weile so, und ich frage mich, wie lange es wohl dauert, bis ich wieder mein altes Gangbild haben werde. Der federnde Schritt, schwungvoll, rund und unbeschwert, der mir eigen war, ich vermisse diese Bewegung so sehr. Mein Körper ist seit einem halben Jahr verkrampft auf Schmerzvermeidung programmiert.

Ich laufe vorsichtig, langsam, ziemlich schwerfällig insgesamt. Manchmal denke ich, das bilde ich mir alles nur ein und zwinge mich, beim Gehen nicht mit dem Körper von einer Seite auf die andere zu schwingen. Dann durchzuckt mich einer dieser elektrisierenden Nervenimpulse. Er erinnert mich daran, dass der Geist eben nicht immer Herr über die Materie ist. Man sagt, das Alter bringe Weisheit, und vielleicht ist diese Weisheit eine direkte Folge von körperlichen Schmerzen. Ich lerne zu akzeptieren, umzulenken und mich zu arrangieren. Als ob ich mich in jeder Phase meines Lebens neu erfinden müsse, neu definieren und anders weitermachen. Hauptsache weiter.

Einer sagte mal, das Leben verlaufe nicht in Phasen und wieso ich das alles so scharf abtrennen müsse. Bei mir gab es immer schon tiefe Einschnitte. Ein Berufswechsel, ein Wohnortwechsel, ein vorher und ein danach. Ich kann das nicht mit sanften Übergängen. Auch so eine Lektion, die angeblich mit dem Älterwerden kommen soll. Vielleicht kommt das aber nur für die, die sich durch den vorgegebenen Alltag mit geringstmöglicher Störung treiben lassen. Möglichst keine Katastrophen und das bisschen Unzufriedenheit wird einfach wegrationalisiert. Das funktioniert bei mir nicht. Ich brauche Abwechslung, Bewegung, im Kopf wie im Körper, laufe dabei schon mal gegen Wände, weil ich Unmögliches als solches nur schwer akzeptiere. Für die einen ist Weisheit sowas wie Abfinden mit dem Unumgänglichen, für die anderen bedeutet es, die eigenen Ressourcen bestmöglich einzusetzen. Ich stehe noch irgendwo dazwischen.

Oft genug möchte ich einfach weglaufen; vor mir selbst oder vor der Situation. Und manchmal träume ich dann, dass ich renne. Im Traum laufe ich ohne Erschöpfung und ohne Schmerzen. Ich laufe mit dem Gefühl, niemals mehr anhalten zu müssen, nicht zum Luftholen und nicht zum Schlafen. Einfach weiterlaufen, bis etwas Schönes meine Aufmerksamkeit fängt. Dann bleibe ich stehen, um es zu betrachten. Ich könnte natürlich jederzeit weiterlaufen, es ist aber schöner zu bleiben. Ich glaube, das ist dann wieder eine dieser Phasen, eine selbstgewählte. Fast kommt es mir vor, als müsse man zur Weisheit erst gezwungen werden. Fürwahr kein besonders begehrenswertes Konzept.

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