Sonntag, 18. Februar 2007
Sätze, die man sofort bloggen muss (20)
frau klugscheisser, 01:20h
Dieses Jahr geh ich als Stewardess.
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Freitag, 16. Februar 2007
If you can make it there, you'll make it everywhere (2)
frau klugscheisser, 02:02h
Den Laden zu finden, wo ich meine alte Lieblingsjeans erworben hatte, ist folglich die Aufgabe, die ich mir diesmal in New York stelle. In der Zwischenzeit sind wir in einem anderen Hotel untergebracht. Ich erinnere mich, dass die Zimmer in der alten Unterkunft so klein waren, dass man den Koffer zuklappen musste, um Zugang zum Badezimmer zu haben und dass ich mich bei meinem letzten Aufenthalt dort wunderte, warum das Frühstück für Crewmitglieder plötzlich gratis war. Die Begründung dafür und für den Umzug lautete, bei einem Brand in den unteren Stockwerken hätte die Alarmanlage versagt und die Kollegen seien nicht geweckt worden. Vielleicht habe ich deswegen den Namen des Hotels verdrängt.
Es muss irgendwo in der Nähe des Empire State Buildings gewesen sein, soviel weiß ich noch. Einmal liefen wir abends nach der Ankunft auf der Suche nach einer Kneipe an der Warteschlange vorbei. Zu spät, um sich einzureihen, denn die Besucherplattform schloß eine Viertelstunde später. Wir aßen Hühnerflügel und tranken dazu Bier aus Kübeln. Ich weiß nicht mehr, ob ich mitgetrunken habe, weil ich Bier nicht mag. Der Copilot - ein Schwabe - meinte, es sei billiger, wenn wir einen Kübel für alle bestellen. Vermutlich habe ich dann doch mitgetrunken. Als wir die Kneipe verließen, fuhr eine von vielen Stretchlimousinen vorbei, die man mieten kann. Ich sagte, ich würde gerne mal mit so einem Ding fahren. Wir erkundigten uns nach dem Preis. Als der Copilot zögerte, überredete ich ihn mit dem Argument, jeder - auch ein Schwabe - müsse mindestens einmal in seinem Leben mal in so einem Ding gesessen haben, und durch vier geteilt sei die Summe für jeden erschwinglich. Also fuhren wir in der Stretchlimo einmal um den Block und freuten uns wie die Schneekönige.
Schätzungsweise 15-20 Blocks lege ich nach Süden in besagte Gegend zu Fuß zurück. Ich habe schon kältere Winter in Manhattan erlebt, doch der Wind treibt die Kälte auf unangenehme Art durch Stoff und Poren, bis sie in den Knochen steckt. Ich kann mir vorstellen, wie es kürzlich Herrn nff ergangen sein muss. Manhattan ist leicht zu Fuß zu erkunden, wären da nicht die vielen Ampeln, die ständig rot leuchten, sobald ich eine Straße überqueren will. Am Anfang warte ich brav auf Laufbefehl, den andere Passanten zu ignorieren scheinen. Das Einbahnstraßensystem ist relativ einfach zu überblicken. Nach ersten zaghaften Versuchen, Straßen bei rot zu überqueren, ohne sofort verhaftet zu werden, gewinne ich mehr Sicherheit. Schließlich genügt ein Blick nach rechts oder links. Nach einer Weile spüre ich weder Kälte noch Müdigkeit. Der sogenannte Laufflash hat eingesetzt. Meine Beine bewegen sich ganz von alleine. So kann ich stundenlang gehen.
Ich grase das Gebiet in einer Art Slalom zwischen fünfter Avenue und Broadway Richtung Times Square ab. Unter Wasser scheint das System erfolgversprechender als bei der Suche an Land. Sowohl das Hotel als auch der Laden scheinen wie vom Erdboden verschluckt. Immerhin sind inzwischen vier Jahre vergangen. New York Jahre sind wie Hundejahre. Die Stadt verändert sich permanent. Ich führe meinem schockgefrosteten Körper warme Flüssigkeit aus einem Pappbecher zu. Das und die Beherrschung des Ampelsystems lassen mich für einen ganz kurzen Augenblick wie ein echter New Yorker fühlen. Spätestens als an der nächsten Straßenecke ein Passant um Auskunft bittet, ist das Gefühl schlagartig verschwunden. I'm not from here, sagt die Dame neben mir und ich schaue ganz schnell weg - nach oben - damit er die Frage nicht noch einmal an mich richtet.
Dieser verflixte Laden ist unauffindbar. Noch gebe ich mich allerdings nicht geschlagen. Jeans kann man schließlich überall kaufen. Da gibt es dieses Kaufhaus, von dem M. letztens sprach. Vor ein paar Monaten habe ich es gesucht und nicht gefunden. Sie hatte sich um zehn Blocks geirrt. Diesmal habe ich extra nachgeschlagen. So mache ich mich auf den Weg 30 Blocks Richtung Norden.
[to be continued...]
Es muss irgendwo in der Nähe des Empire State Buildings gewesen sein, soviel weiß ich noch. Einmal liefen wir abends nach der Ankunft auf der Suche nach einer Kneipe an der Warteschlange vorbei. Zu spät, um sich einzureihen, denn die Besucherplattform schloß eine Viertelstunde später. Wir aßen Hühnerflügel und tranken dazu Bier aus Kübeln. Ich weiß nicht mehr, ob ich mitgetrunken habe, weil ich Bier nicht mag. Der Copilot - ein Schwabe - meinte, es sei billiger, wenn wir einen Kübel für alle bestellen. Vermutlich habe ich dann doch mitgetrunken. Als wir die Kneipe verließen, fuhr eine von vielen Stretchlimousinen vorbei, die man mieten kann. Ich sagte, ich würde gerne mal mit so einem Ding fahren. Wir erkundigten uns nach dem Preis. Als der Copilot zögerte, überredete ich ihn mit dem Argument, jeder - auch ein Schwabe - müsse mindestens einmal in seinem Leben mal in so einem Ding gesessen haben, und durch vier geteilt sei die Summe für jeden erschwinglich. Also fuhren wir in der Stretchlimo einmal um den Block und freuten uns wie die Schneekönige.
Schätzungsweise 15-20 Blocks lege ich nach Süden in besagte Gegend zu Fuß zurück. Ich habe schon kältere Winter in Manhattan erlebt, doch der Wind treibt die Kälte auf unangenehme Art durch Stoff und Poren, bis sie in den Knochen steckt. Ich kann mir vorstellen, wie es kürzlich Herrn nff ergangen sein muss. Manhattan ist leicht zu Fuß zu erkunden, wären da nicht die vielen Ampeln, die ständig rot leuchten, sobald ich eine Straße überqueren will. Am Anfang warte ich brav auf Laufbefehl, den andere Passanten zu ignorieren scheinen. Das Einbahnstraßensystem ist relativ einfach zu überblicken. Nach ersten zaghaften Versuchen, Straßen bei rot zu überqueren, ohne sofort verhaftet zu werden, gewinne ich mehr Sicherheit. Schließlich genügt ein Blick nach rechts oder links. Nach einer Weile spüre ich weder Kälte noch Müdigkeit. Der sogenannte Laufflash hat eingesetzt. Meine Beine bewegen sich ganz von alleine. So kann ich stundenlang gehen.
Ich grase das Gebiet in einer Art Slalom zwischen fünfter Avenue und Broadway Richtung Times Square ab. Unter Wasser scheint das System erfolgversprechender als bei der Suche an Land. Sowohl das Hotel als auch der Laden scheinen wie vom Erdboden verschluckt. Immerhin sind inzwischen vier Jahre vergangen. New York Jahre sind wie Hundejahre. Die Stadt verändert sich permanent. Ich führe meinem schockgefrosteten Körper warme Flüssigkeit aus einem Pappbecher zu. Das und die Beherrschung des Ampelsystems lassen mich für einen ganz kurzen Augenblick wie ein echter New Yorker fühlen. Spätestens als an der nächsten Straßenecke ein Passant um Auskunft bittet, ist das Gefühl schlagartig verschwunden. I'm not from here, sagt die Dame neben mir und ich schaue ganz schnell weg - nach oben - damit er die Frage nicht noch einmal an mich richtet.
Dieser verflixte Laden ist unauffindbar. Noch gebe ich mich allerdings nicht geschlagen. Jeans kann man schließlich überall kaufen. Da gibt es dieses Kaufhaus, von dem M. letztens sprach. Vor ein paar Monaten habe ich es gesucht und nicht gefunden. Sie hatte sich um zehn Blocks geirrt. Diesmal habe ich extra nachgeschlagen. So mache ich mich auf den Weg 30 Blocks Richtung Norden.
[to be continued...]
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Donnerstag, 15. Februar 2007
If you can make it there, you'll make it everywhere (1)
frau klugscheisser, 00:43h
Natürlich funktioniert es nicht. Das war ja so klar. Wenn es zuhause nicht klappt, wieso sollte es woanders? Wenn ich ein neues Kleidungsstück brauche und danach suche, werde ich unter Garantie nicht fündig. Kleider tauchen im Leben auf wie große Lieben, sechs Richtige oder Steuerprüfungen, nämlich plötzlich und wenn man am wenigsten damit rechnet. Kleider wollen wie einmalige Gelegenheiten ergriffen werden. Tut man das nicht, schmollt das Schicksal. Wer dann noch - wie ich - kein Einkaufsgen geerbt hat, kann auf die nächste Gelegenheit lange warten. Dabei bräuchte ich die neue Jeans inzwischen sehr dringend. Meine Gebete werden hoffentlich bald erhört.
Angefangen hat alles vor vier Jahren. Damals saß ich mit einer Kollegin in einem New Yorker Hotelzimmer vor dem Fernseher. Bush erklärte dem Irak und wir allen Männern den Krieg. Solcherlei Ereignisse verbinden unterbewußt auf ungeahnte Weise und so beschloß ich - ganz entgegen meiner sonstigen Abneigung - ihr am Folgetag auf einer Shoppingtour Gesellschaft zu leisten. Wir liefen gemeinsam die Straßen in der Nähe des Times Square entlang. Zielsicher steuerte sie bestimmte Läden an, in denen sie das dargebotene Sortiment fachkundig prüfte. Bereits im dritten Laden wurde mir ein wenig langweilig und so lenkte ich mich ab, indem ich nach Kleidungsstücken suchte, die ihrer Figur schmeicheln würden. Ein Tisch in der Mitte des Ladens, auf dem Jeans als Sonderangebote deklariert gestapelt waren, zog mich magisch in seinen Bann. Ich strich über den Stoff, ließ Preisschilder durch meine Finger gleiten und ehe ich mich versah, hielt ich eine Hose in meiner Größe in den Händen. Da war sie, die mich die nächsten Jahre begleiten sollte. Ich zögerte erst ein wenig, doch mein Körper wollte sie spüren und mit ihr zu einem Ganzen werden.
Normalerweise bin ich nicht der Typ, der jedem Gefühl sofort nachgibt. Nein, ich widerstehe meistens der Versuchung fleischlicher Gelüste - zumindest was den Erwerb von unnötigen Utensilien angeht - wenn, ja wenn nicht dieses Preisschild gewesen wäre. Meine schwäbisch geprägte Sozialisation überrumpelte sofort jegliche rationalen Erwägungen und ehe ich mich versah, befand sie sich erst auf meiner Haut, dann in einer Tüte und war gegen Bares mein. Fortan waren wir unzertrennlich. Unsere Beziehung wurde durch Bemerkungen Außenstehender, wie etwa tolle Hose, geiler Arsch gestärkt. Mit den Jahren rieben wir uns, passten uns an und wollten nicht mehr ohne einander sein. Wir gingen sprichwörtlich durch dick und dünn, wobei ersteres unweigerlich irreversible Spuren an den Nähten hinterließ.
Nach drei Jahren ging ich fremd. Ich fühlte mich unattraktiv und ungeliebt, als sie in mein Leben trat. Unverzeihlich war er, der Kauf meiner ersten Stretchjeans. Ich fühlte mich schlecht, sehr schlecht, denn damit hatte ich nicht gerechnet. Niemals, dachte ich, würde ich so tief sinken, als dass mir derlei Gewebe ins Haus käme. Aber die Versuchung war einfach zu groß, genau wie mein Körpergewicht. Und wieder war die schwäbische Argumentation schuld. So musste sie - meine Lieblingsjeans - im Schrank ausharren, bis ich sie endlich wieder an mich heranlassen konnte. Als es soweit war, bemerkte ich an ihr mit Schrecken Spuren des Verfalls. So leid es mir tut, wir müssen demnächst Abschied voneinander nehmen.
[to be continued...]
Angefangen hat alles vor vier Jahren. Damals saß ich mit einer Kollegin in einem New Yorker Hotelzimmer vor dem Fernseher. Bush erklärte dem Irak und wir allen Männern den Krieg. Solcherlei Ereignisse verbinden unterbewußt auf ungeahnte Weise und so beschloß ich - ganz entgegen meiner sonstigen Abneigung - ihr am Folgetag auf einer Shoppingtour Gesellschaft zu leisten. Wir liefen gemeinsam die Straßen in der Nähe des Times Square entlang. Zielsicher steuerte sie bestimmte Läden an, in denen sie das dargebotene Sortiment fachkundig prüfte. Bereits im dritten Laden wurde mir ein wenig langweilig und so lenkte ich mich ab, indem ich nach Kleidungsstücken suchte, die ihrer Figur schmeicheln würden. Ein Tisch in der Mitte des Ladens, auf dem Jeans als Sonderangebote deklariert gestapelt waren, zog mich magisch in seinen Bann. Ich strich über den Stoff, ließ Preisschilder durch meine Finger gleiten und ehe ich mich versah, hielt ich eine Hose in meiner Größe in den Händen. Da war sie, die mich die nächsten Jahre begleiten sollte. Ich zögerte erst ein wenig, doch mein Körper wollte sie spüren und mit ihr zu einem Ganzen werden.
Normalerweise bin ich nicht der Typ, der jedem Gefühl sofort nachgibt. Nein, ich widerstehe meistens der Versuchung fleischlicher Gelüste - zumindest was den Erwerb von unnötigen Utensilien angeht - wenn, ja wenn nicht dieses Preisschild gewesen wäre. Meine schwäbisch geprägte Sozialisation überrumpelte sofort jegliche rationalen Erwägungen und ehe ich mich versah, befand sie sich erst auf meiner Haut, dann in einer Tüte und war gegen Bares mein. Fortan waren wir unzertrennlich. Unsere Beziehung wurde durch Bemerkungen Außenstehender, wie etwa tolle Hose, geiler Arsch gestärkt. Mit den Jahren rieben wir uns, passten uns an und wollten nicht mehr ohne einander sein. Wir gingen sprichwörtlich durch dick und dünn, wobei ersteres unweigerlich irreversible Spuren an den Nähten hinterließ.
Nach drei Jahren ging ich fremd. Ich fühlte mich unattraktiv und ungeliebt, als sie in mein Leben trat. Unverzeihlich war er, der Kauf meiner ersten Stretchjeans. Ich fühlte mich schlecht, sehr schlecht, denn damit hatte ich nicht gerechnet. Niemals, dachte ich, würde ich so tief sinken, als dass mir derlei Gewebe ins Haus käme. Aber die Versuchung war einfach zu groß, genau wie mein Körpergewicht. Und wieder war die schwäbische Argumentation schuld. So musste sie - meine Lieblingsjeans - im Schrank ausharren, bis ich sie endlich wieder an mich heranlassen konnte. Als es soweit war, bemerkte ich an ihr mit Schrecken Spuren des Verfalls. So leid es mir tut, wir müssen demnächst Abschied voneinander nehmen.
[to be continued...]
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Freitag, 9. Februar 2007
Silent death
frau klugscheisser, 10:28h
Nuestra vidas son los rios
que van a dar en la mar,
qu'es el morir.
Jorge Manrique, Vorwort zu "Nachtzug nach Lissabon" von Pascal Mercier
Eine seltsame Sache ist das mit dem Tod. In unserer Gesellschaft wird er vehement verdrängt, obwohl seine Unvermeidbarkeit dem Leben erst Sinn verleiht. Ganz egal ob er sich ankündigend wie ein Damoklesschwert in der Luft hängt oder plötzlich zuschlägt, die zukünftig bzw. tatsächlich Hinterbliebenen scheinen überrumpelt. Ganz altersunabhängig scheint der Verlust eines Elternteiles den Abschluß der Erwachsenwerdung zu manifestieren. Während selbstgewählte Partner möglicherweise gehen, sind Eltern eine scheinbar immerwährende Instanz und gleichzeitig Synonym für Heimat. Man mag zu ihnen stehen wie man will, der Abschied ist meist hart.
So gelassen wir der eigenen Endlichkeit auch ins Auge blicken, so betroffen reagieren wir auf Verluste im Umfeld. Bei meiner ersten Begegnung mit dem Tod war ich gerade mal neun Jahre alt. Schon damals begriff ich intuitiv, dass die Trauer rein gar nichts mit dem Toten, dafür umso mehr mit den Weiterlebenden zu tun hat. Damals hielt man mich fern von der Trauerfeier. Heute glaube ich, Kinder begreifen den Tod auf ihre ganz eigene Art und verarbeiten ihn im Erleben besser als jeder Erwachsene - auch ohne pädagogisch wertvolle Geschichten über tote Kanarienvögeln.
Man mag ihn gelegentlich beschwören, weil die Hoffnung verlorenging, weil die Kraft für die ewig wiederkehrende Alltagslast fehlt, weil keine Lösung in Sicht ist, weil körperliches Leid impliziert ist. Und trotzdem habe ich erlebt, wie schwer das Sterben sein kann. Die immense Kraft des Lebens ist nicht zu unterschätzen. Menschen, die körperlich tausend Tode sterben, die alle Verantwortung und Hoffnung hinter sich gelassen haben und zum Gehen bereit wären, scheinen sich mit aller Kraft an das Leben zu klammern, ertragen unendliche Schmerzen und Qualen selbst ohne medizinische Maßnahmen, als würden sie mit dem Tod um die nächste Stunde, den nächsten Tag oder gar eine Woche schachern. Unbegreiflich und doch verständlich. Nicht umsonst existieren Begriffe wie 'Todesangst' und 'Lebenswille'.
Was bleibt, ist die Erinnerung, manchmal Selbstzweifel und Vorwürfe, öfter eine Glorifizierung der Vergangenheit, meistens eine Lücke. Wer keine hinterläßt hat sich um sein eigenes Leben betrogen. Aber wissen werden wir es nicht mehr.
que van a dar en la mar,
qu'es el morir.
Jorge Manrique, Vorwort zu "Nachtzug nach Lissabon" von Pascal Mercier
Eine seltsame Sache ist das mit dem Tod. In unserer Gesellschaft wird er vehement verdrängt, obwohl seine Unvermeidbarkeit dem Leben erst Sinn verleiht. Ganz egal ob er sich ankündigend wie ein Damoklesschwert in der Luft hängt oder plötzlich zuschlägt, die zukünftig bzw. tatsächlich Hinterbliebenen scheinen überrumpelt. Ganz altersunabhängig scheint der Verlust eines Elternteiles den Abschluß der Erwachsenwerdung zu manifestieren. Während selbstgewählte Partner möglicherweise gehen, sind Eltern eine scheinbar immerwährende Instanz und gleichzeitig Synonym für Heimat. Man mag zu ihnen stehen wie man will, der Abschied ist meist hart.
So gelassen wir der eigenen Endlichkeit auch ins Auge blicken, so betroffen reagieren wir auf Verluste im Umfeld. Bei meiner ersten Begegnung mit dem Tod war ich gerade mal neun Jahre alt. Schon damals begriff ich intuitiv, dass die Trauer rein gar nichts mit dem Toten, dafür umso mehr mit den Weiterlebenden zu tun hat. Damals hielt man mich fern von der Trauerfeier. Heute glaube ich, Kinder begreifen den Tod auf ihre ganz eigene Art und verarbeiten ihn im Erleben besser als jeder Erwachsene - auch ohne pädagogisch wertvolle Geschichten über tote Kanarienvögeln.
Man mag ihn gelegentlich beschwören, weil die Hoffnung verlorenging, weil die Kraft für die ewig wiederkehrende Alltagslast fehlt, weil keine Lösung in Sicht ist, weil körperliches Leid impliziert ist. Und trotzdem habe ich erlebt, wie schwer das Sterben sein kann. Die immense Kraft des Lebens ist nicht zu unterschätzen. Menschen, die körperlich tausend Tode sterben, die alle Verantwortung und Hoffnung hinter sich gelassen haben und zum Gehen bereit wären, scheinen sich mit aller Kraft an das Leben zu klammern, ertragen unendliche Schmerzen und Qualen selbst ohne medizinische Maßnahmen, als würden sie mit dem Tod um die nächste Stunde, den nächsten Tag oder gar eine Woche schachern. Unbegreiflich und doch verständlich. Nicht umsonst existieren Begriffe wie 'Todesangst' und 'Lebenswille'.
Was bleibt, ist die Erinnerung, manchmal Selbstzweifel und Vorwürfe, öfter eine Glorifizierung der Vergangenheit, meistens eine Lücke. Wer keine hinterläßt hat sich um sein eigenes Leben betrogen. Aber wissen werden wir es nicht mehr.
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Montag, 29. Januar 2007
Du hast die Haare schön
frau klugscheisser, 14:50h
Dass die Welt ungerecht ist, wissen wir nicht erst seit gestern. So mancher Lockenkopf föhnt stundenlang jede Strähne glatt, obwohl das feuchte Klima draußen alle Bemühungen in Sekunden zunichte machen. Für Spaghettilookträger wie mich wurde ein ganzer Industriezweig mit Rundbürsten und Lockenstäben aus dem Boden gestampft, deren Ergebnis so placeboartig ist, wie die von Cellulitecremes und Diätpillen. Es hilft nichts, man muss sich mit den Gegebenheiten abfinden. Wer das nicht will, greift weiter zu Hilfsmitteln jeglicher Art.
Mein Vermieter ist so ein Typ. Schon beim ersten Treffen konnte ich meinen Blick kaum von seiner Haarpracht abwenden. Mir drängte sich unweigerlich die Frage auf, ob das, was da auf seinem Kopf thronte, tatsächlich naturgegeben sei. Noch nie hatte ich so dichtes Haar gesehen, das ohne Beifügung von Gel sowohl einen Scheitel zuließ, als auch eine akkurate Frisur. Im Laufe des vergangenen Jahres stellte ich fest, dass die Haarpracht je nach Tageszeit im Sitz variierte. Vor allem morgens schien der Haaransatz tiefer in die Stirn zu liegen, dafür standen die Haare im Nacken stärker vom Kopf ab als der Rest. Der Sinn leuchtet mir ein, denn ganz instinktiv zieht man sich eine Kopfbedeckung bei rauhem Wetter tiefer ins Gesicht oder schützt sich gerne unausgeschlafen vor neugierigen Blicken. Dass dieses Prinzip jedoch bei aufgesetzten Haaren die Mitmenschen irritieren kann, schien ihm noch keiner verraten zu haben.
Ich bin mir immer noch leicht unsicher, ob der Mann tatsächlich ein Toupet trägt. Die Zeit, in der die Existenz solcher Utensilien noch nicht in meine Vorstellung gedrungen ist, liegt nicht so lange zurück. Das verhält sich ähnlich wie mit dem Ungeheuer von Lochness. Man hat davon gehört aber gesehen hat man es noch nicht. Als ich im Urlaub einst einen Bekannten aus dem Bett holte und dieser seinen Haarersatz in der Eile verkehrt herum aufsetzte, da sah ich es zum ersten Mal. Mein Weltbild geriet damals leicht ins Wanken. Ich glaube, es wäre nicht besonders ratsam, meinen Vermieter aus dem Bett zu klingeln. Bleibt mir nichts anderes übrig, als ihn weiterhin kritisch zu beobachten und zu hoffen, dass er eines Tages einen Fehler macht.
Einstweilen guck ich schöne Haare und bin wohl die Letzte, die vom Ursprung dieses Spruches Kenntnis nimmt.
via kleinesf
Mein Vermieter ist so ein Typ. Schon beim ersten Treffen konnte ich meinen Blick kaum von seiner Haarpracht abwenden. Mir drängte sich unweigerlich die Frage auf, ob das, was da auf seinem Kopf thronte, tatsächlich naturgegeben sei. Noch nie hatte ich so dichtes Haar gesehen, das ohne Beifügung von Gel sowohl einen Scheitel zuließ, als auch eine akkurate Frisur. Im Laufe des vergangenen Jahres stellte ich fest, dass die Haarpracht je nach Tageszeit im Sitz variierte. Vor allem morgens schien der Haaransatz tiefer in die Stirn zu liegen, dafür standen die Haare im Nacken stärker vom Kopf ab als der Rest. Der Sinn leuchtet mir ein, denn ganz instinktiv zieht man sich eine Kopfbedeckung bei rauhem Wetter tiefer ins Gesicht oder schützt sich gerne unausgeschlafen vor neugierigen Blicken. Dass dieses Prinzip jedoch bei aufgesetzten Haaren die Mitmenschen irritieren kann, schien ihm noch keiner verraten zu haben.
Ich bin mir immer noch leicht unsicher, ob der Mann tatsächlich ein Toupet trägt. Die Zeit, in der die Existenz solcher Utensilien noch nicht in meine Vorstellung gedrungen ist, liegt nicht so lange zurück. Das verhält sich ähnlich wie mit dem Ungeheuer von Lochness. Man hat davon gehört aber gesehen hat man es noch nicht. Als ich im Urlaub einst einen Bekannten aus dem Bett holte und dieser seinen Haarersatz in der Eile verkehrt herum aufsetzte, da sah ich es zum ersten Mal. Mein Weltbild geriet damals leicht ins Wanken. Ich glaube, es wäre nicht besonders ratsam, meinen Vermieter aus dem Bett zu klingeln. Bleibt mir nichts anderes übrig, als ihn weiterhin kritisch zu beobachten und zu hoffen, dass er eines Tages einen Fehler macht.
Einstweilen guck ich schöne Haare und bin wohl die Letzte, die vom Ursprung dieses Spruches Kenntnis nimmt.
via kleinesf
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Mittwoch, 17. Januar 2007
For you to notice
frau klugscheisser, 15:12h
dashboard confessional
Bis jetzt hab ich noch keinen Menschen getroffen, der Gedanken lesen kann. Warum das dennoch so viele Menschen erwarten, ist mir ein Rätsel. Der Andere soll erahnen, erspüren und interpretieren, was man möchte, um es einem dann bitteschön in der richtigen Dosierung zukommen zu lassen. Erfüllt das Gegenüber diese hohe Erwartung nicht, handelt es sich automatisch um einen kalten Menschen, einen Egoisten oder - um in Beziehungstermini zu sprechen - einfach nicht um DEN Richtigen. Solche Menschen denken meist um viele Ecken, was es noch schwieriger macht, diesen Anspruch zu erfüllen. Das einfachste Mittel wäre nämlich, den Mund aufzumachen, um zu formulieren, was man sich gerade wünscht.
Stellen wir uns mal folgende Situation beim Bäcker vor: eine Frau/Mann/Kind/Hund (wir wollen doch keine Klischées bedienen) steht erwartungsvoll vor der Theke.
Angestellte: "Was wünschen Sie bitte?"
Kunde: "..."
Angestellte, auf Brötchen deutend: "Heute vielleicht zwei Sesam- und zwei Mohnsemmeln?"
Kunde, mit unveränderter Mimik: "..."
Angestellte, irritiert: "Dann vielleicht ein Brot? Mehrkorn, Sonnenblumen oder doch Mischbrot?"
Kunde, mit leicht abwärtsgerichteten Mundwinkeln: "..."
Angestellte: "Ah, doch lieber ein Hefezopf, nicht?"
Kunde dreht sich wortlos um und verlässt den Laden. Vor der Türe trifft er den Nachbarn: "Stell Dir vor, ich war eben in der Bäckerei und die Verkäuferin, dieses unsensible Miststück wusste nicht, was ich will. Dabei müsste sie mich nach all der Zeit doch wirklich kennen. Hat mir Brot angeboten. Muss ich denn wirklich jedesmal erst was sagen, wenn ich eine Breze haben möchte?"
Nachbar, nickt zustimmend: "Ja, typisch Bäckereiangestellte. Die denken auch immer nur an Brot."
Für manche Menschen sinkt der Wert einer entgegengebrachten Aufmerksamkeit, wenn sie durch Worte eingefordert werden musste. Wie eine Mutter die Bedürfnisse des sich nicht artikulieren könnenden Kleinkindes erahnt, so wünschen wir insgeheim ein ganzes Leben lang unsere Bedürfnisse wortlos gestillt zu bekommen. Mit ein paar nachdrücklichen Tränen oder Wutanfällen haben viele ihre Partner nach Jahren soweit konditioniert, dass das Schema einigermaßen funktioniert.
Im Grunde bleibt die Geste jedoch immer das, was sie ist, ob nun erbeten oder überraschend erhalten: etwas, das uns ein Mensch freiwillig entgegenbringt, weil ihm an unserem Wohlergehen liegt. Warum es sich und seinen Mitmenschen so schwer machen, wenn es so einfach sein könnte.
In diesem Zusammenhang will ich gleich mal ankündigen, dass ich mir zu meinem Geburtstag am Montag einige nette Kommentare und Gratulationen - gerne auch per Mail (frauklugscheisserätgooglemaildotcom) - wünsche. Ein entsprechender Eintrag folgt noch.
Bis jetzt hab ich noch keinen Menschen getroffen, der Gedanken lesen kann. Warum das dennoch so viele Menschen erwarten, ist mir ein Rätsel. Der Andere soll erahnen, erspüren und interpretieren, was man möchte, um es einem dann bitteschön in der richtigen Dosierung zukommen zu lassen. Erfüllt das Gegenüber diese hohe Erwartung nicht, handelt es sich automatisch um einen kalten Menschen, einen Egoisten oder - um in Beziehungstermini zu sprechen - einfach nicht um DEN Richtigen. Solche Menschen denken meist um viele Ecken, was es noch schwieriger macht, diesen Anspruch zu erfüllen. Das einfachste Mittel wäre nämlich, den Mund aufzumachen, um zu formulieren, was man sich gerade wünscht.
Stellen wir uns mal folgende Situation beim Bäcker vor: eine Frau/Mann/Kind/Hund (wir wollen doch keine Klischées bedienen) steht erwartungsvoll vor der Theke.
Angestellte: "Was wünschen Sie bitte?"
Kunde: "..."
Angestellte, auf Brötchen deutend: "Heute vielleicht zwei Sesam- und zwei Mohnsemmeln?"
Kunde, mit unveränderter Mimik: "..."
Angestellte, irritiert: "Dann vielleicht ein Brot? Mehrkorn, Sonnenblumen oder doch Mischbrot?"
Kunde, mit leicht abwärtsgerichteten Mundwinkeln: "..."
Angestellte: "Ah, doch lieber ein Hefezopf, nicht?"
Kunde dreht sich wortlos um und verlässt den Laden. Vor der Türe trifft er den Nachbarn: "Stell Dir vor, ich war eben in der Bäckerei und die Verkäuferin, dieses unsensible Miststück wusste nicht, was ich will. Dabei müsste sie mich nach all der Zeit doch wirklich kennen. Hat mir Brot angeboten. Muss ich denn wirklich jedesmal erst was sagen, wenn ich eine Breze haben möchte?"
Nachbar, nickt zustimmend: "Ja, typisch Bäckereiangestellte. Die denken auch immer nur an Brot."
Für manche Menschen sinkt der Wert einer entgegengebrachten Aufmerksamkeit, wenn sie durch Worte eingefordert werden musste. Wie eine Mutter die Bedürfnisse des sich nicht artikulieren könnenden Kleinkindes erahnt, so wünschen wir insgeheim ein ganzes Leben lang unsere Bedürfnisse wortlos gestillt zu bekommen. Mit ein paar nachdrücklichen Tränen oder Wutanfällen haben viele ihre Partner nach Jahren soweit konditioniert, dass das Schema einigermaßen funktioniert.
Im Grunde bleibt die Geste jedoch immer das, was sie ist, ob nun erbeten oder überraschend erhalten: etwas, das uns ein Mensch freiwillig entgegenbringt, weil ihm an unserem Wohlergehen liegt. Warum es sich und seinen Mitmenschen so schwer machen, wenn es so einfach sein könnte.
In diesem Zusammenhang will ich gleich mal ankündigen, dass ich mir zu meinem Geburtstag am Montag einige nette Kommentare und Gratulationen - gerne auch per Mail (frauklugscheisserätgooglemaildotcom) - wünsche. Ein entsprechender Eintrag folgt noch.
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Montag, 15. Januar 2007
and it burns, burns, burns
frau klugscheisser, 16:50h
"Schdinga duans scho, de Krautwickal" dachte ich noch so bei mir - ganz in Monaco Franze Manier, bevor jener die Wohnung vom Kopfeck in Flammen setzt - und wunderte mich, wer denn wohl im Haus solch üble Gerüche erzeugte, während ich versunken in die Tubentiefen fasziniert das vierte Fundstück einer herausragenden Pianistin anhörte und noch bei Weitem nicht am Ende der Suche angelangt war. Mit Beginn der Coda - und Kenner der Sonatenhauptsatzform wissen wohl, dass diese sich, je nach Epoche, durchaus länger gestalten kann - wuchs in mir die Gewissheit, die Quelle der Geruchsbelästigung könnte aus meiner Küche stammen. Noch war ich jedoch nicht bereit, meinen Hörgenuss zu unterbrechen, bedeutet doch dies, ich müsse die ganze Sonate von vorne beginnen. Ausserdem konnte ich mich selektiv nicht mehr an eine jüngste Inbetriebnahme des heimischen Herdes erinnern. Mit den letzten verklungenen Akkorden schweifte mein Blick gen Küchentüre, die bereits umrahmt von grauen Nebelschwaden, mich schnell auf den Boden der Realität holte. Was folgte, erübrigt sich im Einzelnen zu berichten. Brennende Würstchen stinken so gottserbärmlich, dass selbst die klassikliebende Obermieterin keine weitere Sonate lang den Anruf bei der Feuerwehr hinausgezögert hätte.
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Donnerstag, 28. Dezember 2006
Chick flick
frau klugscheisser, 11:49h
Wenn man auf einem Flug während des Bordfilmes von den weiblichen Angestellten mit Getränken versorgt werden möchte und darüber hinaus aufgrund akuter Langeweile das Gespräch sucht, sollte man dies nicht mit den Worten "Ey, habt ihr den Film gesehen? Voll der Frauenfilm..." eröffnen.
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Samstag, 23. Dezember 2006
May your days be merry and bright
frau klugscheisser, 00:24h
Am Heiligabend pack ich den ganz aus.
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Mittwoch, 20. Dezember 2006
The air that you breathe
frau klugscheisser, 01:36h
Lisa9 hat mir einen Eintrag gewidmet. Naja eigentlich nicht mir, weil ich ja nicht wirklich Flugbegleiter bin, sondern genau genommen der imaginäre Sandsack für miesgelaunte Passagiere, Kollegen und Cockpits (komm schon Baby, hau mir eine rein! Da steh ich drauf), und auch nicht mir allein, sondern den vielen saftschubsenden Engeln der Lüfte, die jeden Tag im Fall der Fälle für Ihre Sicherheit einstehen. Aus gegebenem Anlaß hat die Zeichnung heute dennoch gepasst wie Arsch auf Klobrille.
[Achtung, Ekelcontent!]
Beim Fliegen habe ich gelernt, dass sich unsere Gesellschaft in wichtige und unwichtige Leute unterteilen lässt. Die wichtigen Leute verhalten sich in der Öffentlichkeit auch so, damit jeder gleich weiß, mit welch wichtiger Persönlichkeit man es zu tun hat. Sie reden ein wenig lauter als andere und fordern auch sonst sehr viel Zuwendung und Aufmerksamkeit, um sich deutlich von den unwichtigen Leuten abzugrenzen, denn unauffällig bedeutet unwichtig. Während ihrer Kindheit haben sie gelernt, dass Schreien und sich strampelnd auf den Boden werfen sehr viel Aufmerksamkeit einbringt. Auch eine volle Windel garantiert die ungeteilte Aufmerksamkeit, denn dann wird einem liebevoll der Hintern abgewischt und wenn man Glück hat, wird man sogar für den gemachten Haufen noch gelobt.
Jetzt ist es aber nicht sonderlich vorteilhaft, wenn man sich den teuren Armanianzug auf rauhem Asphalt ruiniert, und das wohlige Gefühl einer vollgeschissenen Flanellhose ist auch nur von kurzer Dauer. Deswegen haben wichtige Leute im Laufe der Sozialisation ihre erfolgsgarantierenden Mechanismen verfeinert. Wir kennen die mit hervorgetretenen Adern Zeternden, die sich aus banalen Anlässen um ihre Wichtigkeit betrogen fühlen. Ein deutlich subtileres Aufmerksamkeitsvehikel sind sogenannte Pheromone. Die Definition nach Karlson und Lüscher hierfür lautet folgendermaßen: Substanzen, die von einem Individuum nach außen abgegeben werden und bei einem anderen Individuum der gleichen Art spezifische Reaktionen auslösen. Nichts kann einfacher und gleichermaßen anonymer nach außen abgegeben werden als Verdauungsgase. Ihre Abgabe garantiert volle Aufmerksamkeit aller Individuen der unmittelbaren Umgebung und spezifische Reaktionen wie Naserümpfen, Würgereiz und Erstickungsanfälle.
Eine besonders wirkungsvolle Methode seine Mitmenschen an den eigenen Verdauungsvorgängen teilhaben zu lassen, ist, die Türe zur Flugzeugtoilette nach erfolgreicher Entleerung einen Moment länger als nötig geöffnet zu halten oder gar nicht erst zu schließen. Den ultimativen Kick erlebt der Toilettengänger, wenn sich Kabinenmitarbeiter vor den Toiletten zeitgleich der Nahrungsaufnahme widmen. Ich frage mich allen Ernstes, ob solche Menschen tatsächlich glauben, ich könne ihnen den nötigen Respekt entgegenbringen. Und ich weigere mich schlichtweg, Lob für einen Haufen auszusprechen, der zu Demonstrationszwecken nicht mittels Hydraulik dem chemischen Nirvana zugeführt, sondern devotionaliengleich in der Schüssel verweilt. [An dieser Stelle sei angemerkt, dass Flugzeugtoiletten nicht nach dem gleichen Prinzip funktionieren, wie die der Deutschen Bahn, und durchaus auch an Parkpositionen benutzt werden dürfen. Die Mär von gefrorenen Fäkalien, die angeblich mancherorts wie Meteoriten in Vorgärten einschlugen, zu dementieren, erübrigt sich hiermit.]
[Ekelcontent Ende]
Noch etwas habe ich im Laufe meines fliegerischen Daseins gelernt: die wirklich Wichtigen sind durchweg unauffällige und zuvorkommende Mitmenschen.
Da weiß man, was man hat. Guten Abend.
[Achtung, Ekelcontent!]
Beim Fliegen habe ich gelernt, dass sich unsere Gesellschaft in wichtige und unwichtige Leute unterteilen lässt. Die wichtigen Leute verhalten sich in der Öffentlichkeit auch so, damit jeder gleich weiß, mit welch wichtiger Persönlichkeit man es zu tun hat. Sie reden ein wenig lauter als andere und fordern auch sonst sehr viel Zuwendung und Aufmerksamkeit, um sich deutlich von den unwichtigen Leuten abzugrenzen, denn unauffällig bedeutet unwichtig. Während ihrer Kindheit haben sie gelernt, dass Schreien und sich strampelnd auf den Boden werfen sehr viel Aufmerksamkeit einbringt. Auch eine volle Windel garantiert die ungeteilte Aufmerksamkeit, denn dann wird einem liebevoll der Hintern abgewischt und wenn man Glück hat, wird man sogar für den gemachten Haufen noch gelobt.
Jetzt ist es aber nicht sonderlich vorteilhaft, wenn man sich den teuren Armanianzug auf rauhem Asphalt ruiniert, und das wohlige Gefühl einer vollgeschissenen Flanellhose ist auch nur von kurzer Dauer. Deswegen haben wichtige Leute im Laufe der Sozialisation ihre erfolgsgarantierenden Mechanismen verfeinert. Wir kennen die mit hervorgetretenen Adern Zeternden, die sich aus banalen Anlässen um ihre Wichtigkeit betrogen fühlen. Ein deutlich subtileres Aufmerksamkeitsvehikel sind sogenannte Pheromone. Die Definition nach Karlson und Lüscher hierfür lautet folgendermaßen: Substanzen, die von einem Individuum nach außen abgegeben werden und bei einem anderen Individuum der gleichen Art spezifische Reaktionen auslösen. Nichts kann einfacher und gleichermaßen anonymer nach außen abgegeben werden als Verdauungsgase. Ihre Abgabe garantiert volle Aufmerksamkeit aller Individuen der unmittelbaren Umgebung und spezifische Reaktionen wie Naserümpfen, Würgereiz und Erstickungsanfälle.
Eine besonders wirkungsvolle Methode seine Mitmenschen an den eigenen Verdauungsvorgängen teilhaben zu lassen, ist, die Türe zur Flugzeugtoilette nach erfolgreicher Entleerung einen Moment länger als nötig geöffnet zu halten oder gar nicht erst zu schließen. Den ultimativen Kick erlebt der Toilettengänger, wenn sich Kabinenmitarbeiter vor den Toiletten zeitgleich der Nahrungsaufnahme widmen. Ich frage mich allen Ernstes, ob solche Menschen tatsächlich glauben, ich könne ihnen den nötigen Respekt entgegenbringen. Und ich weigere mich schlichtweg, Lob für einen Haufen auszusprechen, der zu Demonstrationszwecken nicht mittels Hydraulik dem chemischen Nirvana zugeführt, sondern devotionaliengleich in der Schüssel verweilt. [An dieser Stelle sei angemerkt, dass Flugzeugtoiletten nicht nach dem gleichen Prinzip funktionieren, wie die der Deutschen Bahn, und durchaus auch an Parkpositionen benutzt werden dürfen. Die Mär von gefrorenen Fäkalien, die angeblich mancherorts wie Meteoriten in Vorgärten einschlugen, zu dementieren, erübrigt sich hiermit.]
[Ekelcontent Ende]
Noch etwas habe ich im Laufe meines fliegerischen Daseins gelernt: die wirklich Wichtigen sind durchweg unauffällige und zuvorkommende Mitmenschen.
Da weiß man, was man hat. Guten Abend.
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