Mittwoch, 6. November 2019
Gift for a Friend
Ein Bekannter fragte mich, was er als Adventskalender für seine Freundin machen könne und meine Idee waren Streichholzschachteln, in die er für jeden Tag eine kleine Botschaft stecken könnte. Weil ich momentan mehr Zeit habe als mir lieb ist und oft über's Ziel hinausschieße, habe ich ein wenig zu basteln begonnen. Die Rede war nämlich davon, ob ich da ein wenig helfen könne. Also besorgte ich heute Material und setzte mich an die Umsetzung. Ihm wurde jedoch klar, dass er das wohl selbst machen müsse, weswegen mein Kalender jetzt für eine Freundin vorbereitet wird.

Eigentlich ist Basteln überhaupt nicht mein Ding. Ich hasse Klebstoff an den Fingern und gefrickel beim Zuschneiden von Papier, das am Ende doch nicht exakt gerade wird. Natürlich bleibt der Sekundenkleber nie dort, wo man ihn aufgetragen hat und trocknet - wie der Name schon sagt - in Sekunden an den falschen Stellen. Doch fand ich noch beidseitig haftende Fotokleber in der Schublade, die mir die Aufgabe etwas erleichterten.




Die Schachteln fädle ich auf einen Sternendraht, der dann an beiden Enden aufgehängt werden kann. Sie werden natürlich noch beschriftet und gefüllt. Kleine Botschaften oder ein Teelicht, ein Gummibärchen oder eine Schokolade, die Möglichkeiten sind vielfältig. Gut ist, dass das Werk nachhaltig ist und jedes Jahr auf's Neue benutzt werden kann. Das fertige Ergebnis werde ich selbstverständlich bildlich nachreichen. Für heute ist mein Werk erst mal getan. Und für die Unmengen an Streichhölzern finde ich sicher auch noch Verwendung. Vielleicht was basteln?

Nachtrag: Fertig!

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Dienstag, 5. November 2019
Walk Away
Es ist alles ein bisschen vertrackt. Ich bin müde, sehr müde und kann gleichzeitig nicht schlafen, weil alles in meinem Kopf sehr schnell läuft. Termine koordinieren, abgleichen, recherchieren, entscheiden, neu sortieren. Früher hätte ich ungeachtet der Tageszeit einfach die Schuhe angezogen und wäre losgelaufen - ohne Ziel, ohne Richtung, einfach laufen, wohin die Füße tragen. Heute tragen die Füße aber nicht mehr richtig. Manchmal knicke ich weg, wenn ich zu schnell aufstehe, meistens sind Schritte mit kurzen, scharfen Stichen verbunden, die ich gerne vermeiden möchte, indem ich das Bein anders belaste. Das geht schon eine ganze Weile so, und ich frage mich, wie lange es wohl dauert, bis ich wieder mein altes Gangbild haben werde. Der federnde Schritt, schwungvoll, rund und unbeschwert, der mir eigen war, ich vermisse diese Bewegung so sehr. Mein Körper ist seit einem halben Jahr verkrampft auf Schmerzvermeidung programmiert.

Ich laufe vorsichtig, langsam, ziemlich schwerfällig insgesamt. Manchmal denke ich, das bilde ich mir alles nur ein und zwinge mich, beim Gehen nicht mit dem Körper von einer Seite auf die andere zu schwingen. Dann durchzuckt mich einer dieser elektrisierenden Nervenimpulse. Er erinnert mich daran, dass der Geist eben nicht immer Herr über die Materie ist. Man sagt, das Alter bringe Weisheit, und vielleicht ist diese Weisheit eine direkte Folge von körperlichen Schmerzen. Ich lerne zu akzeptieren, umzulenken und mich zu arrangieren. Als ob ich mich in jeder Phase meines Lebens neu erfinden müsse, neu definieren und anders weitermachen. Hauptsache weiter.

Einer sagte mal, das Leben verlaufe nicht in Phasen und wieso ich das alles so scharf abtrennen müsse. Bei mir gab es immer schon tiefe Einschnitte. Ein Berufswechsel, ein Wohnortwechsel, ein vorher und ein danach. Ich kann das nicht mit sanften Übergängen. Auch so eine Lektion, die angeblich mit dem Älterwerden kommen soll. Vielleicht kommt das aber nur für die, die sich durch den vorgegebenen Alltag mit geringstmöglicher Störung treiben lassen. Möglichst keine Katastrophen und das bisschen Unzufriedenheit wird einfach wegrationalisiert. Das funktioniert bei mir nicht. Ich brauche Abwechslung, Bewegung, im Kopf wie im Körper, laufe dabei schon mal gegen Wände, weil ich Unmögliches als solches nur schwer akzeptiere. Für die einen ist Weisheit sowas wie Abfinden mit dem Unumgänglichen, für die anderen bedeutet es, die eigenen Ressourcen bestmöglich einzusetzen. Ich stehe noch irgendwo dazwischen.

Oft genug möchte ich einfach weglaufen; vor mir selbst oder vor der Situation. Und manchmal träume ich dann, dass ich renne. Im Traum laufe ich ohne Erschöpfung und ohne Schmerzen. Ich laufe mit dem Gefühl, niemals mehr anhalten zu müssen, nicht zum Luftholen und nicht zum Schlafen. Einfach weiterlaufen, bis etwas Schönes meine Aufmerksamkeit fängt. Dann bleibe ich stehen, um es zu betrachten. Ich könnte natürlich jederzeit weiterlaufen, es ist aber schöner zu bleiben. Ich glaube, das ist dann wieder eine dieser Phasen, eine selbstgewählte. Fast kommt es mir vor, als müsse man zur Weisheit erst gezwungen werden. Fürwahr kein besonders begehrenswertes Konzept.

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Samstag, 2. November 2019
Coming Home VI
Der Countdown läuft. Im Zuge der 5000 habe ich bereits ein bisschen über meine Gäste (Kommentierende) geschrieben. Heute und über die nächsten Tage möchte ich ein paar hervorheben und erklären, wieso ich bei ihnen ebenfalls gerne zu Gast bin. Im Hinblick auf Fremdbild/Selbstbild hat's übrigens durchaus Potenzial für ein sogenanntes Bloggerstöckchen. Folge 1, 2, 3 und 4 versteckt sich hinter den Zahlen.

Meine Personenbeschreibungen sind subjektiv, unvollständig und unwissenschaftlich, quasi homöopathisch aber auch in hoher Dosierung wohlwollend.


Ich erinnere mich sehr gerne an die Zeit, als der Neo-Bazi und der Rationalstürmer hier kommentierten. Die gehörten damals fast so zusammen wie Arsch auf Deckel. Wo der eine auftauchte, war der andere nicht weit. Wir hatten nicht nur viel Spaß in den Kommentaren hier und in anderen Blogs, wir waren auch real zumindest fernmündlich verbunden. Der Neo-Bazi hatte damals ein Blog unter selbigem Pseudonym, nannte sich aber als Komentator mal halbtot, mal Opa Edi und gab sich gelegentlich auch irgendwelche anderen bizzarren Namen. In den Sechzigern und Siebzigern fuhr er zur See, kam aber ursprünglich aus dem Allgäu. Die kleinen Super 8 Aufnahmen zeigte er mal in seinem Blog. Auf meine Frage, wieso er sich denn für die Seefahrt entschieden habe - noch dazu als Nichtschwimmer - gab er zu bedenken, das sei damals für ihn die einzige Möglichkeit gewesen, die Welt zu sehen und nebenbei schwimmen zu lernen. Ganz bodenständig pragmatisch, so war sein Stil, gelegentlich auch ein bissl derb. Seine Ambitionen brachten ihn als jungen Mann vom Hamburger Hafen in die Ferne. Als er wegen rheumatischer Beschwerden nicht mehr als Funkoffizier arbeiten konnte, versetzte man ihn in den Reederei-Innendienst. Bald wurde er vorzeitig berentet und verbrachte seine Zeit fortan mit sehr wenig Geld im sogenannten Nuttenturm - einem sozialen Brennpunkt mit Hafenblick. Dort habe ich ihn während eines Kurzaufenthalts mal besucht.

Trotz seiner gesundheitlich misslichen Lage hat Eduard Karl Henn - so sein richtiger Name - nie den Mut verloren, lenkte sich durch Schreiben und Kommentieren ab oder veräppelte seinen Zivi, der ihn bei alltäglichen Dingen unterstützte, sich aber nie für einen Opascherz zu schade war. Die im Allgäu wohnenden Enkelkinder konnte er aus finanziellen und auch ein wenig familiären Gründen nur selten sehen, weswegen seine Blogfamilie aka der Club der halbtoten Dichter an Weihnachten für ein Bahnticket zusammenlegte - hier kam natürlich der Rationalstürmer in's Spiel, mit dem ich mich drahtzieherisch beriet. Sowohl Bandbreite als auch Spendierlaune der Beitragenden war grenzenlos. Von Playlisten bis Lesematerial für die Bahnfahrt war alles dabei. So entstand aus einer kleinen Reisegutscheinidee eine komplette Opa-Landverschickung (von Matt Wagner wurde die Übergabe dokumentiert). Edi freute sich sichtlich und riesig, obwohl es ihm sehr schwer fiel, Geschenke anzunehmen. In Folge schickte er allen Beteiligten Päckchen, um etwas zurückzugeben. Getarnt waren diese Rückgeschenke immer als Rätselgewinne oder andere Zuwendung.



Edikarl ahnte nicht, dass diese Reise seine letzte sein würde, denn einige Zeit nach seiner Ankunft im Allgäu ging es ihm so schlecht, dass er in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. Schlaganfall (soweit ich mich erinnere), Reha und nach ein paar Wochen der Genesung plötzlich nicht mehr halb- sondern richtig tot. Wir waren alle verdammt betroffen und traurig. Mich hat vor allem die Tatsache schockiert, dass ich damals zum ersten Mal vom Tod eines vorwiegend aus dem virtuellen Kontakt bekannten Freundes durch eben dieses Medium erfahren musste. Da fiel mir auf, warum es durchaus sinnvoll ist, Todesnachrichten persönlich zu überbringen. In diesem Fall war das nicht möglich, weil wir die Verwandtschaft vom Opa nicht kannten und selbige nichts von seinen Blogmachenschaften wusste. Absichtlich, denn der Neobazi schrieb sich einst dort auch eine Familiengeschichte vom Herzen.

Mit seinem Blog, seinen Kommentaren und seinem verschrobenen Humor fehlt der Edikarl jetzt schon seit 10 Jahren. Seine Geschichten sind inzwischen nicht mehr zugänglich aber mein letzter Satz gilt noch immer:
Weißt du, Opa, du warst schon ein ganz Besonderer. Kein Heiliger und kein Prophet aber einer mit dem Herzen am rechten Fleck. Ich wünschte, es gäbe hier noch viel mehr von deiner Sorte. Und wenn es sie gibt, dann stolpere ich hoffentlich eines Tages über die. Hier oder anderswo.

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