Montag, 26. Juni 2006
At the bottom of a glass
Wenn du wissen willst, was für ein Scheißtyp ich bin, kannst du das im Blog meiner Ex nachlesen.

Im Nachhinein verstanden. Zum einen, dass Gedanken in Blogs einfließen, die einen sehr beschäftigen und man keine Möglichkeit hat, sich mit der betreffenden Person auszutauschen. Zum anderen, dass es Menschen gibt, die so oberflächlich zu sein scheinen, dass Begegnungen keine Eindrücke hinterlassen. Eine Person wird ausgemerzt, die Begegnung verleugnet und Geschehnisse verdrängt. Das ist bequem und lässt sich auf alle Lebensbereiche ausdehnen. Falls es nicht funktioniert, hilft man einfach mit Alkohol nach. Erst ein paar Tage. Aus den Tagen werden Monate und schließlich Jahre. Irgendwann ist einem egal, wie man aussieht, ob man Akne im Gesicht hat oder nicht, ob man Begabungen brachliegen lässt oder Interessen nachgeht oder ob die Wohnung aufgeräumt ist oder nicht. Irgendwann vergisst man das alles einfach, weil man auch sonst Gedächtnislücken hat. Man muss nur genügend trinken. Ausserdem lebt es sich in der selbstgebastelten Illusion viel schöner als in der Realität. Wenn man nur lange genug trinkt, sieht man von der Illusion eine ganze Menge, mit Glück sogar Dinge, die nicht existieren. Aber was ist schon Wirklichkeit. Die lässt sich ja ganz individuell interpretieren.

Nur die Menschen um einen herum, die stören ein wenig dabei. Die kommen einem gefährlich nahe und erhaschen möglicherweise eine Blick hinter die Fassade. Dem muss man sich unter allen Umständen schnell genug entziehen. Die Anderen haben keine Ahnung. Man kommt ja mit sich alleine so gut klar und seit man trinkt noch viel besser. Immerhin koordiniert der Alkohol die Verbindung zwischen Sprachzentrum und Gedankenfluß hervorragend. Wer braucht schon Frauen, wenn es so tolle Pornos gibt? In echt sind die Frauen doch viel zu reell. Mit genügend Promille kann man sich sogar einbilden, die Hand am Schwanz wäre eine fremde. Überhaupt wird Sex überbewertet. Löffeln ist da viel ergiebiger und nicht so schweißtreibend. Wenn auch nichts anderes mehr geht, das geht immer.
Die wenigen Freunde, die man hat, haben entweder ein noch viel schwierigeres Leben als man selbst - da kann man sich hinterher wenigstens gut fühlen - oder man macht was mit denen. Stangensaufen ist so ein Spiel, das viel Spaß macht, wenn man 15 ist oder älter und gefühlsmäßig retardiert.

Der sitzenden Tätigkeit geht man aus Ermangelung an Alternativen schon seit zehn Jahren nach. Blöde Alternativen, bei anderen kommen die wie Werbeblättchenausträger vorbei. Bei einem selbst hat noch nie eine Alternative an der Türe geklingelt. Nicht schlimm, weil das Gehalt passt ja und die Kollegen größtenteils auch. Und wenn der Montag vor der Türe steht, kann man sonntags notfalls so lange trinken, bis man den Wochentag vergessen hat. Schlafen hat übrigens dieselbe Funktion. Man kann einfach länger schlafen und hat zwei Stunden länger seine Ruhe vor der Arbeit. Wer arbeitet schon gerne? So ist das eben. Da muss man sich mit abfinden. Nur mit dem allmorgendlichen Stau ist sich schwer abzufinden. Man sitzt Zeit im Auto ab, die man besser vor dem Bildschirm absitzen sollte. Dafür muss man abends länger bleiben. In dieser Zeit kann man aber seine Bloggeschichten schreiben. So hat die Firma sogar was Gutes. Wenn die nur nicht diesen blöden Filter eingebaut hätten.

Und wenn die komplette Sinnlosigkeit des eigenen Lebens mit voller Wucht zuschlägt, dann könnte man, nein, dann muss man erst recht trinken. Verdrängung ist, was uns am Leben hält. Kluger Satz, der in der Praxis gut funktioniert, zumindest in der eigenen. Oder man versetzt sich in die glücklichen Tage der Kindheit, als alles noch groß und schön zu sein schien. Nie erwachsen werden, das wäre die Lösung. Ob das jemals einer geschafft hat? Du wirst ganz bestimmt der Erste sein.

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ungenannter Kommentator:
harter Stoff - dafür, dass die Sache eigentlich abgeschlossen schien, scheinst du viel Spass dabei zu haben, am Schorf alter Narben herum zu kratzen.
Und nachdem dir klar sein dürfte, dass du beim Adressaten damit nicht viel bewirken wirst, bleibt die Frage ob es wenigstens dir dabei besser geht?
Bleibt die Frage: wieviele Alternativen fallen dir ein, wenn einem die komplette Sinnlosigkeit des eigenen Lebens deutlich wird?


Ob es mir besser geht, weiß ich nicht. Ich find´s nicht gut und tu es trotzdem. Keine Ahnung wieso. Vielleicht weil ich nicht diejenige bin, die ihre Wut in sich hineinfrißt.

Es kann nur eine Alternative geben, nämlich seinem Leben einen Sinn zu geben. Sinn existiert nicht per se. Man muss sich darum bemühen. Und das kann u.U. unbequem sein. Ich habe Verständnis für vieles, nicht aber für aus Faulheit und Risikovermeidung resultierendes Selbstmitleid.

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Liebe Frau Klugscheisser,

zum letzten Absatz Ihres Kommentars: Wo darf ich unterschreiben?

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locker bleiben..
wer wird zuviel Kraft an vergangenes verschwenden? Eine Frau ihres Geistes? Kaum vorstellbar.

Für viele ist Sinnlosigkeit wenigstens das einzig vollständige. Wo kein Sinn ist, gibts da überhaupt was zu verdrängen?

Ah ja: astreiner literarischer Wutausbruch. Glückwunsch!

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