Donnerstag, 18. Mai 2006
AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAHH!!


Ich hab´s gewusst. Der nächste Hammer ist schon da.
Herr Shhhh fällt Samstag bei der Lesung aus. Jetzt soll ich die Freakshow geben. Naja, wenn Aussehen genügt. Bin Samstag eh in FRA. Muss da - wie jedes Jahr - am lebenden Objekt unter Beweis stellen, dass ich in der Lage bin, eine Flugzeugtüre zu öffnen und hinterher noch ne Menge dummer Fragen korrekt beantworten (z.B. welche Farbe hat ein Passagiersitz? Antwort: a.)blau b.)grün c.)gelb).

Hey Saintphalle, Mark und Bandini, keine Angst, ich bin´s nur. Ich hab noch nie auf Lesungen randaliert, das Publikum beleidigt oder mich nackig gemacht. Ich mach das nur verbal mit ekligen Geschichten. Hihi

Alte Fliegerweisheit: Nach müde kommt blöd. Ohgottogottogott, ich muss endlich schlafen...

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Bad hair day
0.03 Teil 5 der Geschichte ist fertig und online. Wieso tu ich mir das überhaupt an? Interessiert doch eh keinen. Erste leichte Spuren von Sinnfragen im Kopf.

0.33 Unheimlich wichtigen Sinnspruch unheimlich spontan formuliert und gebloggt. Fühle mich unheimlich weise und intelligent. Computer ausgeschaltet.

0.45 Duschen. Haare waschen. Damit Zeit gespart. Wecker eine halbe Stunde später gestellt.

1.10 Computer wieder an, da unheimlich wichtiger Sinnspruch unheimlich falsch formuliert. Leo sagt your english is to run away. Komme mir unheimlich blöd vor. Sich stark verdichtende Anzeichen einer ersten Sinnkrise.

1.17 Breton mit Baudelaire verwechselt. Drei Haare ausgerissen.Dabei mit der Maus rhythmisch gegen die Stirn geschlagen. Anklicken hilft. Manchmal. Kommentar verbessert.

1.30 Blick auf die Uhr. Zeitersparnis als Selbsttäuschung entlarvt. Duschen nur drei Stunden vorverlegt. Dauer der Dusche immer gleich lang. Bis kein heisses Wasser mehr kommt. Mit der Faust gegen die Stirn geschlagen.

1.50 Beginn der schweren Sinnkrise ins Bett verlegt.

3.45 Wecker klingelt. Aufstehen. Mit Zahnbürste im Mund Teewasser kochen. Leichte Koordinationsschwierigkeiten. Mit Zahnbürste umrühren. Neue Erkenntnis: Zahnpasta schwimmt oben.Tee weggeschüttet.

3.55 Schwere Sinnkrise steuert auf ersten dramatischen Höhepunkt zu. Erster klarer Gedanke: was tue ich um diese Zeit in meiner Küche? Analyse eingeleitet. Hat was mit Broterwerb zu tun. Zu einem Ergebnis mittels Ausschlussverfahren gelangt: bin kein Bäcker, keine Zeitungsfrau, kein Postbeamter. Bleibt nur Saftschubse. Während des Milchtrinkens mit dem Kopf auf Tischplatte aufgeschlagen. Dabei von Intelligenz geträumt.

4.00 Uniform passt noch. Freue mich. Erinnerungsvermögen setzt ein. Letztens Uniform eine Größe größer bestellt und erhalten. Frustration setzt ein.

4.15 Neben der Sinnsuche Autosuche. Sehe lauter VWs ohne Antennen. Setze Brille auf. Sehe plötzlich Mülltonnen statt Autos. Macht donnerstags irgendwie Sinn.

4.18 Schalte das Autoradio ein. Keine Antenne, kein Empfang. Macht nix. Rauschen wirkt beruhigend. Stelle mir vor, ich bin am Meer.

4.26 Leere vierspurige Autobahn. Ein Taxi auf der linken Spur. Überhole rechts. Taxi schlägt Haken nach rechts und ordnet sich hinter mir ein. Haben wir Nebel? Kann nix sehen, weil Halogenscheinwerfer vom Taxi im Rückspiegel blenden. Sinnkrise verstärkt sich.

4.35 Treffe Kollegin im Einsatzzentrum. Ist seit 2.00 da. Frage sie, ob sie kein Zuhause hat. Sie sagt schon aber keine Schlüssel. Denke lange darüber nach.

4.45 Einsatzleiterin teilt uns mit, wir fliegen statt 4 legs (Flüge) nur diesen einen und anschließend deadhead (nicht arbeitend) heim. Eruptiv-kollektiver Ausbruch von tiefer Sinnkrise. Schlagen zu dritt rhythmisch mit dem Kopf gegen die Wand. Klingt fast wie Rap. Einsatzleiterin sagt, Fliegerarzt sei erst ab 9.00 im Haus.

10.00 Rückkehr an die Homebase. Vom Flugzeug in den Crewbus. Fahrer wartet noch.

10.12 Frage Busfahrer, worauf wir warten. Fahrer zuckt mit den Schultern. Vermute mal, hat heute ebenfalls Sinnkrise. Ermutige ihn, darüber zu sprechen. Er deutet auf das Schild Während der Fahrt den Fahrer bitte nicht ansprechen. Spekuliere über philosophische Doppeldeutigkeit des Wortes Fahrt. Kopf schlägt mehrmals von alleine gegen Scheibe.

10.30 Sitze im Auto. Sonnenbrille vergessen. Fahre nach Gehör. Wenn ich nix höre, ist alles in Ordnung. Trainiert die Sinne ungemein.

10.54 Höre auffällig lautes Motorengeräusch von einem Daimler vor mir. Scharfes Bremsen. Schlage mit dem Kopf auf den Lenker.

11.00 Parkplatz gefunden. Ziehe wegen morgiger Frühtour mit Kreide den Weg zur Haustüre nach. Beginn eines starken Platzregens. Fühle mich dennoch sehr intelligent. Da steh ich doch drüber.

11.10 Uniform ausgezogen. Will ins Bett. Höre Türglocke. Hausmeisterin will mit Elektriker in mein Bad. Keinen Bock auf Orgie. Hausmeisterin sagt, es geht um den Luftabzug. Mit der Hand gegen die Stirn geschlagen. Inzwischen repariert Elektriker den Lichtschalter, damit er was sieht. Fragt, ob ich nie Licht auf dem Weg ins Bad brauche. Sage, bin blind und orientiere mich nach Geruch. Elektriker zögert leicht, bevor er die Türe öffnet.

11.30 Alles fertig. Bettschwere erreicht. Leichte Kopfschmerzen von zu viel Sinnsuche. Frisur ist im Arsch vom vielen Schlagen und Schütteln.

Tag dauert noch etwa 12 Stunden.
AAAAAAAAAAAAAHH!!!

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Think of it twice
The saddest thing I own is my memory. Everything that is stowed there can´t be changed or reversed. Even the happier moments are somehow sad because they´re gone forever and I HATE farewells!

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Die musikalische Reise - Teil 5
Als die Maschine landet ist es Nachmittag, obwohl ihr Körper behauptet, es wäre bereits Abend. Vom Flughafen John F. Kennedy nimmt sie den Bus bis zur Grand Central Station. Sie war noch nie zuvor in Manhattan. Das World Trade Center hat sie verpasst. Während der Anschläge saß sie wie so oft in ihrer Wohnung und übte. Erst am nächsten Tag las sie in der Zeitung davon. Ihre Mutter scherzt ab und zu, sie würde es nicht einmal mitbekommen wenn der Krieg ausbräche. Ihr Verhalten hat jedoch weniger mit verträumter Versunkenheit als vielmehr hart erarbeiteter Disziplin zu tun. Einmal an den Tasten sitzend, hat sie sich über die Jahre angeeignet, alles um sich herum auszublenden. Erst wenn die vorgenommene Zeiteinheit verstrichen ist, genehmigt sie sich eine Pause. Sinnvoll sind hoch konzentrierte Einheiten von 45 Minuten, auf die eine 15 minütige Pause folgt. So kommt sie auf etwa 8 Stunden Übzeit pro Tag. Der Rest des Tages ist ausgefüllt mit externen Proben, essen, schlafen und den alltäglichen Kleinigkeiten. Wenn sie – wie jetzt – auf Reisen ist, zehrt sie von der Vorarbeit. Hinterher muss sie neu beginnen. Die verspielte Leichtigkeit, die das Publikum so bewundert, ist hart erarbeitet. Man bekommt in diesem Metier nichts geschenkt. Die Mähr vom Wunderkind ist eine Lüge. Genialität kommt erst zur Geltung, wenn die 95 Prozent Arbeit erbracht wurden. Es geht nicht von alleine, auch wenn das so mancher Anfänger gerne glauben mag und sich hinterher auf fehlendes Talent herausredet. Manchmal wünscht sie sich einen Zustand herbei, in dem sie nur noch ein wenig Fingerübungen machen muss. Doch gleichzeitig weiß sie, dass dieser Wunsch aus dem Reich der Illusionen kommt. Irgendwann wird sie kein neues Repertoire mehr erarbeiten müssen, sondern nur noch aufwärmen. Die Grundarbeit bleibt jedoch immer dieselbe. Und dann gibt es noch so viele Stücke, die mit ihr wachsen. Das Mozartkonzert hat sie vor zwei Jahren auch noch völlig anders aufgefasst, als sie es jetzt tut. Der Kopf kennt das Notenmaterial, doch immer wieder revidiert sie Fingersatz oder Spannungsbögen. Und das braucht Zeit, um sich zu setzen. Wer vor 500 Leuten spielt, braucht nicht nur Nerven aus Stahl, sondern vor allem eine schlafwandlerische Sicherheit in der Technik. Morgen früh wird sie mit dem Orchester die Probe aufs Exempel machen. Dann wird sie wissen, was möglicherweise am Abend auf sie zukommt.

Obwohl ihre Beine vom Flug schwer sind, beschließt sie, von der Grand Central Station aus zu laufen. Den Koffer kann sie ja hinter sich herziehen. Sie orientiert sich kurz am Ausgang – das Hotel liegt in nordöstlicher Richtung – dann läuft sie los. Zwischen den Häuserschluchten blitzt hie und da blauer Himmel. Als sie nach oben blickt, wird ihr schwindelig. Man sagt, Touristen erkenne man in New York daran, dass sie ständig nach oben sehen. Als sie zum zweiten Mal von einem Passanten angerempelt wird, beschließt sie, doch lieber auf den Boden zu schauen. Die Luft ist stickig und mit Autoabgasen geschwängert. Kein besonders idyllisches Pflaster. Irgendetwas Undefinierbares schwingt in der Luft zwischen den Wolkenkratzern, lässt die Straße vibrieren und beschleunigt ihren Schritt. Diese Stadt pulsiert wie eine künstliche Herzklappe, tickt wie der beschleunigte Sekundenzeiger eines Ziffernblattes, schiebt Menschen und Autos wie der Kolben einer Dampflok durch die Straßen. Sie spürt förmlich die Gedankenmasse der Millionenstadt in ihrem Kopf explodieren. Eigentlich hätte morgen Abend der Pianist Lang Lang spielen sollen, der 2003 in der Carnegie Hall debutierte. Das sonst so verhaltene New Yorker Publikum war begeistert. Man sagte ihr, er hätte aus gesundheitlichen Gründen abgesagt, deswegen die Anfrage bei den Finalisten des diesjährigen Tschaikowsky Wettbewerbs. Ablehnen könne sie nicht. So eine Chance bekomme man nur einmal. Bei dem Gedanken an das morgige Konzert wird ihr schummrig. Die Knie geben bei jedem Schritt ein wenig mehr nach als üblich. Sie könnte hundert Mal hintereinander in dieser blöden Carnegie Hall spielen und wäre trotzdem jedes einzelne Mal davor nervös. Auch das geht nicht vorbei, wie so mancher Laie fälschlicherweise glauben mag. Manchmal muss sie sich vor Konzerten übergeben. Oder sie hat starke Kopfschmerzen. Der Erwartungsdruck ist enorm. Er macht sich über den Körper Luft. Mit der Zeit hat sie gelernt, trotz Kopfschmerzen und anderen Schwierigkeiten zu spielen. Irgendwann einmal hat sie einfach begonnen, sich zu ignorieren. Das Klavier hat sie zu sich selbst erbarmungslos werden lassen.

Der Weg zum Hotel führt sie über die 42. Straße auf den Broadway, der sich schließlich am Times Square mit der 7th Avenue kreuzt. Von dort geht es weiter in Richtung Norden auf die Carnegie Hall zu. Kurz hat sie an der 5th Avenue und der nächsten Kreuzung gezögert, ob sie abbiegen soll. Morgen ist auch noch Zeit für das Rockefeller Center mit der Radio City Music Hall und ein kleines Frühstück vor Tiffanys Schaufenster. Das einzig Besondere an dem von der Agentur gebuchten Hotel ist der überhöhte Preis. Das Fenster des winzigen Zimmers führt zu einem Luftschacht. Bevor sie das Bad betreten möchte, muss sie den Koffer schließen. Die geschmacklosen Tapeten konkurrieren gegen den abgetretenen Teppich in Modrigkeit. Sie würde gerne das Fenster öffnen, um wenigstens die Illusion von Frischluft zu haben, weiß allerdings nicht, wie sie das bewerkstelligen soll. Schließlich kapituliert sie. Wenn sie ganz vorsichtig Luft holt, muss sie nicht zu viel Verfall auf einmal atmen. Plötzlich wird ihr schwarz vor Augen. Das Bett fängt ihren übermüdeten Körper auf. Sie hört Stimmfetzen, sieht sich inmitten einer starrenden Menschenmenge. Ja, morgen wird sie ihr Bestes geben. Sie verspricht es noch einmal ausdrücklich. Die Menge kommt näher, wirkt bedrohlich, kein Lichtstrahl dringt bis zu ihr durch. In Sekundenbruchteilen ist sie ins Reich der Träume hinübergeglitten.

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