Sonntag, 7. Mai 2006
Alkohol ist kein Sanitäter in der Not
Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit. Es sind mehr Männer als Frauen betroffen. Oft ist die Flucht in den Alkoholismus eine Folge von anhaltendem Stress oder anderen psychischen Ursachen. Der Betroffene trinkt, um sich Erleichterung zu verschaffen und zu vergessen. Meist hält dieses Verhalten bereits seit Jahren an, ohne dass Angehörige und Freunde es bemerken.

Woran man einen Alkoholkranken erkennt:

Er trinkt das erste Glas sehr schnell
Er trinkt mehr als 0,5l Alkohol pro Tag
Starkes Zittern und Schwitzen
Auffällige Gelbfärbung um die Augen, wenn die Leber bereits angegriffen ist
Großflächige Rotfärbung der Gesichtshaut
Akneanfälligkeit durch hormonelle Störungen, sowie Ausfall der Brustbehaarung
Typische „Trinkernase“
Weiße Nägel
Gewichtszunahme trotz geringer Nahrungsaufnahme
Schluckbeschwerden in Folge von Speiseröhrenentzündungen
Aufgedunsener Körper, auch im Gesicht
Erektionsstörungen bei Männern
Verlust des sexuellen Interesses
Antriebslosigkeit und Gedächtnisschwächen, Konzentrationsstörungen,
später Totalausfälle
Teilweise Angstzustände
Bunkern von Alkoholika auf Vorrat
Abstreiten und Leugnen des Trinkverhaltens
Sich selbst und anderen beteuern, man könne jederzeit damit aufhören
Aggressives Verhalten gegen Nahestehende bzw. sich selbst
Geringes Selbstwertgefühl bzw. nach außen übersteigertes
Vertuschen von Beweisen (z.B. häufige Flaschenentsorgung obwohl ansonsten die Wohnung eher unordentlich ist)
Vorratsverstecke einrichten
Heimliches Trinken (im Keller, im Auto, im Badezimmer)
Alkoholfahne (sofern kein Wodka getrunken wird)
Hoher Kaugummi, Fishermens o.ä. Konsum
Später wandelt der Stoffwechsel den Alkohol direkt in Ammoniak um, dann riecht der Abhängige nach "Essig"


Ein Trinker sucht sich Verbündete (manchmal auch nur Saufkumpel). Willigt ein Familienmitglied oder Freund ein, wird dieser bei Hilfsangeboten zum Co-Abhängigen. Meist beteuert der Betroffene Besserung, bleibt zum Beweis einige Tage nüchtern, erliegt jedoch dem Druck der Abhängigkeit schon nach kurzer Zeit durch einen Rückfall.

Erst wenn der Trinker vollkommen alleine gelassen wird, kann eine Einsicht in das eigene Verhalten stattfinden und externe Hilfe in Form von Entzug angenommen werden. Falls auch das nicht zur Einsicht führt, steht dem Alkoholiker der gesundheitliche und soziale Abstieg bevor.
Für Angehörige und Freunde ist es meist hart, den Trinker in sein Verderben laufen zu lassen. Es ist unerlässlich, sich darüber bewusst zu sein, dass dies der einzige Weg aus der Sucht und in ein freies Leben für den Kranken ist. Nur wenn der Leidensdruck hoch genug ist, wird der Abhängige einsichtig.

Weiterführender Link

Danke für die Aufmerksamkeit

Nachtrag: In jeder Stadt gibt es Selbsthilfegruppen für Angehörige von Alkoholikern, genannt Alanon.

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Tja, am schlimmsten ist es aber wenn der Partner das weis, aber es leugnet. Aus diesem Grund mussten wir jemanden entlassen. Es Dauerte auch 1 Jahr bis wir heraus bekommen hatten das derjenige Alkohlkrank war. Als wir mit Ihm das Gespräch suchten, fühlte er sich extrem angegriffen und seine Frau wusste es, aber leugnete es und wollten keine Hilfe von uns, schade.

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Die Frau ist in diesem Fall Co-Abhängige und leugnet, um ihren Partner vermeindlich zu schützen. Ein Abhängiger wird sich immer angegriffen fühlen, sobald das Thema angesprochen wird, da er die Krankheit bei sich verdrängt und die Kritikfähigkeit stark abnimmt. Schließlich muss er ein verschobenes Selbstbild haben, um so weiterzumachen.

Oft ist die einzige Möglichkeit, den Abhängigen unter Druck zu setzen (z.B. drohender Verlust der Arbeitsstelle oder des Lebenspartners), um eine Einsicht zu erzielen. Bei fortgeschrittener Krankheit ist die Toleranzgrenze sehr hoch und der Betroffene wird auch dieses Risiko eingehen.
Ein Alkoholiker ist bereit, alles seiner Sucht zu opfern.

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Ja leider ist das so, der Herr war bereits um die 50 und das schlimmste war, es waren Freunde von uns. Wir haben versucht zu Helfen ihm zum Entzug in einer Kurklinik zu überzeugen ohne seinen Job zu verlieren, aber leider alles umsonst.

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Dem muss ich leider zustimmen, dass man die-/denjenigen erst richtig gegen die Wand fahren lassen muss bis sich etwas tut. Habe es auch schon auf die "Helferart" versucht, aber irgendwann folgt dann wieder das altbekannte Muster und man muss denjenigen in die Sucht weiterlaufen lassen. Ziemlich schwierig.

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Fand Ihre Geschichte ein halbwegs gutes Ende?

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halbwegs....kann es täglich (nicht zuhause) "beobachten" und zunächst hat es anscheinend mit "erfolgreicher Verdrängung" des eigentlichen Problems geklappt, also Grund für die Sucht/"Quartalssauferei im Exzess". Aber neulich hat es vermutlich ein Rückfall-Wochenende gegeben, und da fiel es mir sehr schwer, nichts weiter dazu zu sagen...die Eindrücke der letzten Hilfsaktion waren aber wieder recht präsent.

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Chapeau
Ein wirklich guter und sachlicher Beitrag zu einem doch mit recht vielen Tabus belastetem Thema!

Wie bei allen psychischen Krankheiten ist es für viele (und da schließe ich mich nicht aus) manchmal schwierig, dies wirklich als Krankheit zu betrachten, die eigentlich jeden treffen kann, wie z. B. ein Beinbruch o. ä..

Der ein oder andere mag nun maulen, daß man dies mit etwas Vorsorge und Disziplin doch verhindern könne; aber auch das gebrochene Bein des Skifahrers hätte dieser durch Abstinenz von seinem Sport ebenfalls verhindern können...

Trotzdem wird er nicht stigmatisiert, sondern der Skiverunfallte bekommt einfach eine der Krankheit adäquate Behandlung...

Just my two cents...

Gruß,

Golfox

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Wissen Sie, Herr Golfox, ich nehme mich da auch nicht aus. Der Alkohol ist eine große Gefahr, weil gesellschaftlich so anerkannt. Viele haben die Erfahrung aus jungen Jahren, in denen es als lustig galt, sich zu betrinken. Später wird diese Zeit glorifiziert und versucht, das Jugendgefühl wiederzuerlangen.

Ich hinterfrage sehr oft mein eigenes Trinkverhalten. Seit kurzer Zeit habe ich bemerkt, wie sich nach zwei Gläsern Wein/Sekt/Prosecco ein natürliches Ekelgefühl einstellt.

Ausserdem bin ich ab und zu durch meinen Job mit diesem Problem konfrontiert. Die oben beschriebenen Beobachtungen konnte ich aus nächster Nähe machen.

Ja, Alkoholismus und Depressionen sind die Krankheiten, die sowohl eine hohe Dunkelziffer als auch eine niedrige gesellschaftliche Akzeptanz erfahren. Deswegen ist es für Betroffene doppelt schwer, sich dies einzugestehen. Gerade Männer verleugnen das Gefühl der Schwäche und Hilflosigkeit - der falsche Rückschluss lautet hier Unmännlichkeit.

Dabei ist nur der stark, der schwach sein kann.

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Die AA bieten in vielen Städten auch Gruppen und Beratung für Angehörige an. Mir hat das mal in einem weitestgehend vergleichbaren Fall Augen öffnen geholfen. Die Rolle der Angehörigen wird oft vergessen, ihr Mit-Leiden heruntergespielt oder als "selbstverständlich" hingestellt. Ihr "aktiver" Anteil ist noch einmal eine weitere Geschichte.

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Danke für den Hinweis.

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Es gibt auch Selbsthilfe für die Co-Abhängigen. Genannt CoDA für "Co-Dependents Anonymous"

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